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Elsaesser, Thomas. “Internationaler Stil und Industrie: das Wilhelminische Kino.”KINtop 1 (1993): 1–17.

Internationaler Stil und Industrie: das Wilhelminische Kino

Thomas Elsaesser

Der Staffellauf

Zwei Hindernisse – wie Scylla und Charybdis – haben, so scheint es, die Forschung über das lange Zeit vernachlässigte frühe deutsche Kino beeinträchtigt.1 Da ist zunächst die Annahme, daß die Filmproduktion „vor Caligari", einmal abgesehen von den wenigen bekannten Ausnahmen wie DER STUDENT VON PRAG (1913, Stellan Rye) oder DER FREMDE VOGEL (1911, Urban Gad), ohne Bedeutung war. Eine Auffassung, die von Siegfried Kracauer2 und Lotte Eisner3 geteilt wurde, die beide noch immer zu den wichtigsten Zeugen für die Geringschätzung der zehner Jahre zählen. Allerdings waren sie weder die ersten4 noch die einzigen, die diese Ansicht vertraten. Die meisten Filmgeschichten schenken bei der Darstellung europäischer Entwicklungen dem deutschen Film vor dem Ersten Weltkrieg nur wenig Beachtung, denn wie bei einem Staffellauf beginnt dessen „goldenes Zeitalter" passenderweise nach dem frühen Höhepunkt des britischen Kinos um die Jahrhundertwende, gefolgt von der französischen Vorherrschaft bis 1911, den italienischen Epen der frühen zehner Jahre und schließlich der kurzen aber bemerkenswerten Blüte des dänischen Films zwischen 1909 und 1916.5

Die andere Gefahr ist die einer retrospektiven Teleologie. Vom Blickpunkt des Nachfolgenden aus ist man versucht, ganz einfach Anzeichen für das aufzuspüren, was die Nachwelt so hartnäckig mit dem deutschen Kino identifiziert: den expressionistischen Film mit all seinen Motiven von Phantastik, unheimlicher Stimmung, drückenden Qualen innerer Zerrissenheit, psychologischer Intensität und krankhafter Innerlichkeit. Vor diesem Hintergrund erscheint dann tatsächlich bald eine genealogische Verbindung zwischen DER ANDERE (1913, Regie: Max Mack, Buch: Paul Lindau, Hauptdarsteller: Albert Bassermann), DER STUDENT VON PRAG (ebenfalls 1913, Regie: Stellan Rye, Buch: Hanns Heinz Ewers, Hauptdarsteller: Paul Wegener) und DER GOLEM, DER RATTENFÄNGER VON HAMELN, UNHEIMLICHE GESCHICHTEN, HoMUNCULUS. Sie alle werden als Vorläufer gesehen, als ahnungsvolle Regungen dessen, was sich als das Schicksal des deutschen Kinos erweisen würde: Filme mit Doppelgängern, genial-wahnsinnigen Verbrechern und angstzerfressenen kleinbürgerlichen Despoten, die sich danach sehnen, machtgierige Übermenschen zu sein.

Weniger Quellen, weniger Filme oder nur weniger Forschung?

Glücklicherweise brauchen wir nicht mehr an diesen Auffassungen festzuhalten: Ganz im Gegenteil, das was wir über das frühe Kino wissen, über die entstehende Industrie, über die Entwicklungen auf dem Gebiet des Stils und der Form (ganz zu schweigen von den institutionellen Kraft- und Spannungsverhältnissen zwischen Gesellschaft, Film und einzelnen Regisseuren), all das steht gegen diese Art der Argumentation und ihre Beweisführungen. Statt solcher Aufzählungen von Archetypen mit dem Ziel, das Wesen oder die tiefere Identität einer nationalen Produktion zu erfassen, brauchen wir, so meine ich, einen komparatistischen Ansatz innerhalb eines internationalen Rahmens.

Nichtsdestoweniger sehen sich Forscher, die über das deutsche Kino arbeiten, einer Reihe spezifischer Probleme gegenüber. Zunächst kennen wir zu wenig Filme, über die wir zudem zu wenig Informationen besitzen. Es scheint, daß hier mehr verloren gegangen ist als bei anderen nationalen Produktionsgesellschaften, und daß mehr Akten und Aufzeichnungen zerstört oder zerstreut wurden: Soweit man sehen kann, gibt es nichts Vergleichbares zu den Biograph Bulletins, den Edison Papers, der Paper Print Collection, den Kleine Records, obwohl man natürlich hoffen kann, daß die Öffnung der Archive in Osteuropa und Rußland neue Quellen ans Licht bringt. Doch es gibt Anzeichen, daß man auch im Bereich des deutschen Kinos den Akten und Geschäftspapieren größere Aufmerksamkeit schenkt.6 Gegenwärtig haben wir allerdings nicht viel mehr als Zensurkarten7 sowie einige Untersuchungen, die auf lokalen Archivbeständen beruhen8. Man muß nur die Bände von Lamprechts Deutschem Stummfilm durchgehen, um zu sehen, wie außerordentlich spärlich die Eintragungen für die große Mehrheit der Titel aus der Zeit vor 1919 sind.9 Die Situation verändert sich langsam zum Besseren, nicht zuletzt, weil gemeinschaftliche Anstrengungen unternommen werden, Informationen über diejenigen zusammenzutragen, die im frühen deutschen Kino aktiv waren10, aber auch über diejenigen, die die Filme gesehen haben: die Zuschauer. Am wichtigsten ist allerdings, die noch existierenden Filme selbst zu katalogisieren und sie erneut zugänglich zu machen. # „Vor Caligari"

Eines der Schlüsselereignisse für die Erforschung des frühen deutschen Kinos war daher die Retrospektive, die 1990 in Pordenone stattfand. Unter anderem dafür bekannt, unser Verständnis des amerikanischen Films der zehner Jahre revidiert zu haben, standen die „Tage des Stummfilms"11 in Pordenone, die Deutschland gewidmet waren, unter dem Titel „Before Caligari“ Eine Benennung, die nicht ohne Ironie und Provokation gewählt wurde, wie der einleitende Aufsatz des Begleitkatalogs deutlich macht.12 Die Herausgeber wollten darauf hinweisen, daß durch die Betonung der dämonischen Leinwand und der besessenen Doktoren andere, ebenso bedeutende Genres folgenreich an den Rand gedrängt worden waren.

Die Herausforderung für Pordenone – soweit mir bekannt ist, die erste ernsthafte Retrospektive des deutschen Kinos vor 1920 überhaupt – war geradezu einschüchternd groß. Gemäß ihrer üblichen Vorgehensweise, die bei den „Giornate" auf so bewundernswerte Weise Tradition geworden ist, wandten sich die Organisatoren den Primärquellen zu. Sie suchten nicht nur in den nationalen Archiven (Bundesarchiv-Filmarchiv Koblenz und Berlin, das nun auch das ehemalige Staatliche Filmarchiv der DDR umfaßt; Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin; Münchner Filmmuseum) nach photographischem Material, Fragmenten und überlieferten Kopien: Das George Eastman House in Rochester, das Nederlands Filmmuseum in Amsterdam und der Gosfilmofond in Moskau stellten einmal mehr einige der überraschendsten Funde zur Verfügung. In dieser Hinsicht eröffnen die deutsche Wiedervereinigung und das Ende des Kalten Krieges den Filmarchivaren einige unerwartete Möglichkeiten. Zudem war „Before Caligari" eine Gelegenheit für Forscher, neuere Untersuchungen zum frühen deutschen Kino vorzustellen und dabei die neuen Paradigmen einer am frühen Film entwickelten Geschichtsschreibung fruchtbar zu machen. Der Katalog vereint Aufsätze von deutschen, britischen, amerikanischen und italienischen Autoren, eine abschließende Podiumsdiskussion gab dann den Organisatoren wie dem Publikum die Möglichkeit, erste Reaktionen auszutauschen. In der Diskussion ging es in erster Linie um die Frage, wie bedeutend die deutsche Filmproduktion vor 1920, im internationalen Kontext gesehen, war.

Was diesen Punkt betrifft, so zeigte sich, daß eine Reihe von Historikern in Pordenone, nachdem sie die etwa 140 Filme gesehen hatten, zu dem Schluß kam, daß Eisner und die anderen recht hatten: Es gab keinen Grund, die Filmgeschichte neu zu schreiben. Die alten Klagen – deutsche Regisseure könnten weder schneiden noch Geschichten erzählen und wären schlecht auf dem Gebiet der Komödie – wurden erneut erhoben. Während einige noch zugaben, daß in diesen Filmen, schon vor Karl Freund, Eugen Schüfftan und Hermann Warm, eine Meisterschaft in Beleuchtung und Ausstattung sichtbar wurde, waren andere, für die die Gesamtproduktion konturlos blieb, bereits zufrieden damit, einen "Autor" entdeckt zu haben. Ihre Wahl fiel auf Franz Hofer13, von dem fünf Filme im Lauf der Retrospektive gezeigt wurden, und der Gegenstand eines Artikels von Heide Schlüpmann im Katalog war. Schließlich waren da noch diejenigen, die von vornherein wußten, wofür sie gekommen waren und die dann auch nicht enttäuscht wurden: sieben Asta Nielsen-Filme (darunter zwei bislang verloren geglaubte) und zwei frühe Arbeiten von Ernst Lubitsch (WENN VIER DASSELBE TUN [1917] und MEYER AUS BERLIN [1919]). Auf einer Grundlage von 142 Filmen, ausgewählt aus rund 600 heute noch existierenden, die ihrerseits höchstens zehn Prozent der Gesamtproduktion zwischen 1896 und 1918 ausmachen, wäre es zweifellos voreilig, irgendwelche endgültigen Schlüsse ziehen zu wollen. Doch das liegt nicht nur an der zu schmalen Materialbasis; das Gezeigte war zudem so unterschiedlich und unerwartet in Stil und Thematik, daß auch dies Fragen aufwirft – nicht zuletzt die, warum bis jetzt so wenig über diese Filme geschrieben wurde. Eine mögliche Antwort hierauf ist sehr naheliegend.

Um das frühe deutsche Kino mit frischem Blick betrachten zu können, muß nämlich noch ein anderes Hindernis überwunden werden: die vielfältigen theoretischen Überlegungen, die in den zwanziger Jahren zum Film veröffentlicht wurden. Georg Lukács, Béla Balázs, Siegfried Kracauer, Rudolf Arnheim, Hans Richter, Guido Bagier (um nur die bekanntesten zu nennen) haben sich ausführlich mit ihm auseinandergesetzt, während die Filmkritiker der Weimarer Republik wie Hans Siemsen, Egon Friedell, Willy Haas oder Alfred Kerr das Kino als neues kulturelles Phänomen erörterten.14 Aus Gründen institutioneller Legitimierung haben sich deutsche Filmhistoriker und Germanisten in ihren Betrachtungen zum frühen deutschen Film auf diese Autoritäten konzentriert und so vornehmlich die Reaktionen der literarischen Intelligenz auf das sich entwickelnde Kino analysiert.15 Gelitten haben darunter vor allem die Untersuchungen zur Produktionsgeschichte, zu den Filmfirmen und zu Personen, die nicht als Regisseure tätig waren.16 Als eine direkte Folge hiervon wurden die Ursprünge der deutschen Filmindustrie zumeist nur als Vorgeschichte der Ufa-Gründung 1917 behandelt.17 Diese Gesellschaft wurde wiederum in erster Linie unter ideologisch-politischen, nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet.18 Zählt man dazu noch die generelle Vernachlässigung der populärkulturellen Zusammenhänge, in denen das frühe Kino steht, war es umso wichtiger und begrüßenswerter, daß Pordenone sich den Filmen selbst zuwandte, zumal es nahezu unmöglich ist, fundierte Analysen zu finden, sei es zu einzelnen Werken oder zu Genres.

Die beiden Hindernisse, die der Erforschung des deutschen Kinos in den zehner Jahren entgegenstehen, sind also eigentlich zwei Seiten derselben Medaille: Voreingenommenheit zugunsten des Kunstfilms, des Autorenfilms, kurz eines Kinos, das schon seinen Teufelspakt mit der literarischen Kultur geschlossen hat, zumindest aber mit dem bürgerlichen und kulturellen Establishment, dem des Wilhelminischen Reichs zuerst, dann dem der Weimarer Republik. Sowohl die Faszination als auch der Schrecken, mit dem spätere Generationen das "Deutsche" in diesen Filmen betrachteten, erscheinen schließlich als eine weitere Selbstbespiegelung. Hervorgerufen wird diese durch die Überbewertung von Ausnahmeerscheinungen, die (durch kulturelle, bisweilen auch kommerzielle, in jedem Fall aber historisch durchaus verständliche Faktoren) zu einem Kino, das verborgene Wahrheiten offenbart, oder zum Werk außerordentlich schöpferischer Genies erhoben werden. Doch eine verborgene Wahrheit war, daß sich eine kleine Geschmackselite in diesem Kunstkino mit Erschauern wiedererkannte, eben dem Schauder, der es ihr ermöglichte, fast alles andere zu Kitsch, Banalität oder als Resultat kommerzieller Spekulationen zu erklären. Kurz, kein anderes Kino mußte mit einem so feindseligen gebildten Publikum fertig werden wie das deutsche Kino der zehner Jahre in den Zwanzigern.

Filme und Genres

Die Filmauswahl in Pordenone wurde ohne ein anderes wertendes oder organisierendes Prinzip vorgestellt als das der Chronologie. Dies ist vermutlich die fruchtbarste Weise, stilistische oder formale Vergleiche mit anderen nationalen Produktionen zu ermöglichen. Die Szenen, Aktualitäten und komischen Sketche der Brüder Skladanowsky aus der Zeit vor der Jahrhundertwende stehen deutlich in der Tradition von Lumiere; Oskar Messters „Tonbilder" (meist Arien aus bekannten Opern) zeigen andererseits ein frühes Interesse an der Synchronisation, das in die gleiche Richtung weist wie die Experimente Edisons; Soweit es um Spielfilme geht, traten einige unterschiedliche Genres deutlich zutage: soziale Dramen und Melodramen; Komödien und Klamotten; Detektiv- und Kriminalfilme. Zu ersteren muß man auch eine Reihe von Kriegs- und Propagandafilmen rechnen (WENN VÖLKER STREITEN, WEIHNACHTSGLOCKEN 1914); am hervorstechendsten waren jedoch Filme um Frauen und Familie: von ihren Vätern aus dem Haus vertriebene Töchter (ALEXANDRA – DIE RACHE IST MEIN), Erzieherinnen, die nach einer Affäre mit dem Sohn des Hauses entlassen werden (DIE ERZIEHERIN), sozialer Aufstieg und Niedergang von Modellen (DIE SÜNDEN DER VÄTER) oder Ladenmädchen (HEIMGEFUNDEN). Die Komödien reichen von Militärklamotten (HURRA! EINQUARTIERUNG!) über Slapstick (DER STELLUNGSLOSE PHOTOGRAPH) und Trickfilme (KLEBOLIN KLEBT ALLES) bis hin zu den surrealen Filmen Karl Valentins. Zu den wohl überraschendsten Entdeckungen zählen einige Detektivfilme, die, obwohl zweifellos von französischen und dänischen Vorbildern beeinflußt, dennoch einige sehr kennzeichnende Züge aufweisen: sie widerlegen, zumindest für mich, die Behauptung, deutsche Regisseure könnten keine Erzählungen aufbauen oder Örtlichkeiten effizient einsetzen. Drei Stuart-Webbs-Filme (DER MANN IM KELLER, DER GESTREIFTE DOMINO, DAS SCHLOSS AM ABHANG), respektive von Joe May19, Adolf Gärtner und Max Obal inszeniert, dazu Joseph Delmonts DAS RECHT AUF DAS DASEIN und Franz Hofers DIE SCHWARZE NATTER, zeigten auch, daß die deutschen „Klassiker" dieses Genres, wie Fritz Langs DIE SPINNEN, DR. MABUSE und SPIONE, auf einer reichhaltigen einheimischen Tradition aufbauen konnten. Die Filmauswahl umfaßte außerdem noch einige recht raffinierte Animationsfilme à la Gaumont (WIE PLIMPS UND PLUMPS DEN DETEKTIV ÜBERLISTETEN [1915, Otto Hermann]) sowie frühe Arbeiten von Lotte Reiniger.

Sowohl vor als auch unmittelbar nach dem Krieg findet man im deutschen Film viele formale Züge des „internationalen" frühen Kinos und der sogenannten Übergangsperiode.20 Frontale Inszenierung, räumliche Kohärenz und komplexe Anordnungen innerhalb des Kaders herrschen vor, nicht die zeitliche Folge, und somit dominiert eine vom klassischen Kontinuitätskino sich unterscheidende narrative Logik. Dennoch zeugte eine Reihe der in Pordenone gezeigten Filme von einer gewissen Vertrautheit mit dem aufkommenden „amerikanischen" Stil. Obwohl man sich nur schwer einen Film aus den frühen zehner Jahren vorstellen kann, der hinsichtlich seiner narrativen Raffinesse an TRAFFIC IN SOULS (1911, George Loane Tucker) oder das 1988 ausführlich präsentierte Werk von Maurice Tourneur heranreichen könnte, gab es einige, die dem nahekommen: DIE LANDSTRASSE (1913, Paul von Woringen) und DAS TAGEBUCH DES DR. HART (1916, Paul Leni). Der erste21 erinnert an Loïs Webers SUSPENSE (1913), während der zweite stark von der dänischen Schule beeinflußt ist (vgl. Robert Dinesen und Forest Holger-Madsen). Doch die Unterschiede zu den Amerikanern werden sehr deutlich, wenn man Bolten-Baeckers' DIE HAND DES SCHICKSALS (1912, nicht in Pordenone gezeigt, eine Kopie befindet sich unter dem Titel THE HAND OF JUSTICE im National Film Archive, London) neben Tourneurs ALIAS JIMMY VALENTINE (1915, in Pordenone in einer erst 1989 wiedergefundenen Kopie präsentiert) stellt: Beide beruhen auf der gleichen Kurzgeschichte von O'Henry, und so würde sich ein detaillierter Vergleich der jeweiligen Art und Weise, wie Raum, Point-of-view-Schnitte und Narration behandelt werden, sicher lohnen.

Nationale Produktion als Folge des internationalen Films

Was in der Nachfolge von Pordenone vielleicht nötig wäre, ist ein Blick auf die deutschen Produktionspraktiken während der zehner Jahre, um sie mit denen anderer Länder zu vergleichen, aber auch eine Untersuchung zu den besonderen Faktoren, die die Anfänge der deutschen Filmindustrie von anderen unterscheiden. So findet man paradoxerweise sehr wichtige Arbeiten zum frühen deutschen Kino in den verschiedenen vergleichenden Stiluntersuchungen von Barry Salt, Ben Brewster, Richard Abel, Kristin Thompson und Yuri Tsivian, auch wenn diese Forscher – mit Ausnahme von Salt22 und Thompson23 – sich nur selten explizit mit deutschen Filmen auseinandergesetzt haben. Die Bevorzugung einer Inszenierung in der Bildtiefe, einer niedrigen Schnittfrequenz und spezifischer Beleuchtungsstile gibt wichtige Hinweise auf französische, skandinavische oder amerikanische Einflüsse; andererseits lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen auf das, was deutsche Regisseure gesehen haben.24

Wie wir aus anderen Ländern wissen, findet mit dem Aufkommen der Nickelodeons eine wichtige Veränderung in der institutionellen Entwicklung des Kinos statt: Die steigende Nachfrage nach längeren Filmen, das sich herausbildende Starsystem, das Streben nach kultureller Anerkennung, der Konflikt mit der Bühne, die Notwendigkeit, Leihkapital heranzuschaffen, um Filmproduktionen finanzieren zu können – all das sind entscheidende Faktoren. Es ist sogar wahrscheinlich, daß man erst ab diesem Moment sinnvoll von national spezifischen Filmindustrien und Stilrichtungen sprechen kann. Im Fall Deutschlands wird das zumeist in dem Komplex ,,Nordisk/Urban Gad/Asta Nielsen"25 zusammengefaßt. Von AFGRUNDEN (1911) und dann ENGELEIN (1913/14) heißt es, sie hätten die Filmindustrie verändert, nicht zuletzt, weil die Asta-Nielsen-Filme für so viele dieser Kriterien stehen. ENGELEIN wurde von Paul Davidsons PAGU produziert, einer Gesellschaft, die bezeichnenderweise mit einer Kinokette begann und von der Aufführungsseite her zur Produktion kam (im Gegensatz zur ersten Generation, die, wie Messter, als Hersteller von Projektoren zur Produktion überging, um ihre Apparate zu verkaufen). Asta Nielsen wurde bekanntlich zum Liebling des kulturellen Establishments; von daher sind ihre Filme in gewisser Hinsicht weniger aussagekräftig dafür, wie die deutsche Filmindustrie im allgemeinen mit dem Übergang zu einem neuen Typ Ware, dem langen Spielfilm, fertig wurde.

Ein weiterer Grund dafür, daß die Asta-Nielsen / Urban-Gad-Filme eine eigene Kategorie darstellen26, liegt darin, daß in der übrigen deutschen Produktion nichts auf den kalkulierten Kontrast von Lyrik, erotischer Leidenschaft und schäbigem Realismus wie beispielsweise in VORDERTREPPE UND HINTERTREPPE (1914, Urban Gad) hinweist: eher liegt ein Vergleich mit den Filmen von Joe May und G.W. Pabst Anfang der zwanziger Jahre nahe. Zusammen mit anderen Beispielen aus dem Programm von Pordenone werden sie hoffentlich mit dem hartnäckigen Mythos aufräumen, das deutsche Kino ließe sich in „realistische" und „phantastische" Stile und Genres unterteilen. Jenseits der einzelnen Filme und ihrer spezifischen Qualitäten war vor allem eines bemerkenswert: die nachdrückliche Differenzierung in Genres, das heißt in Filme für verschiedene Arten von Publikum. Der Übergang von Einaktern zu Mehraktern – vor allem aber der von nicht-kontinuierlichen Mehraktern (die also wie die frühen Detektivserien auf einer Episodenstruktur beruhen) zu narrativ integrierten Langspielfilmen – verursachte in Deutschland eine wichtige Veränderung innerhalb der Institution Kino27, vor allem auch in Hinblick auf die Frage der „Respektabilität", die zu einer deutlichen Zweiteilung in der Produktion führte.

Die Folge war, daß die populären Genres, vor allem Komödien und Parodien, aber auch Melodramen, damit begannen, und zwar mit einer nur leichten Verspätung, in formaler Hinsicht den amerikanischen Stil nachzuahmen (wie in manchen Filmen von Richard Oswald, Joe May und anderen). Im Gegensatz dazu entwickelten sich die langen Spielfilme, die die bessergestellte Kundschaft in die aufkommenden Luxuskinos locken sollten, in einer mehr oder weniger bewußten Opposition zu den amerikanischen Produktionen. Dies setzte sich auch noch Anfang bis Mitte der zwanziger Jahre fort, aus Gründen, die viel mit dem harten Wettbewerb auf dem internationalen Filmmarkt nach 1918 zu tun haben.

Qualitätsprodukte

Dieser Markt für Qualitätsprodukte stand deutlich unter dem Einfluß intertextueller Beziehungen zwischen verschiedenen Medien – Theater, Operette, Fortsetzungsromanen –, aber auch unter dem Druck, Themen zu finden, die sich unter dem Markenzeichen „deutsch" exportieren ließen: die Märchenfilme Paul Wegeners; die Schauergeschichten von Otto Rippert und Richard Oswald; ja, schließlich auch der expressionistische Film. Eine noch stärkere Waffe im Kampf um die Verbürgerlichung des Kinos waren allerdings Exotismus und Orientalismus, eine Tendenz, die man als den Versuch interpretieren kann, Handlung und Schauplätze von der unmittelbaren Erfahrungswelt der Zuschauer zu entfernen: weit weg von ihrer Gesellschaft, ihrer Stadt, ihrem Land, ihrer physischen Situation.28 Man beachte die Vorliebe für Ägypten und den Nahen Osten in einigen Filmen Lubitschs (DIE AUGEN DER MUMIE MA, SUMURUN, DAS WEIB DES PHARAO). Doch auch in Max Reinhardts DIE INSEL DER SELIGEN und EINE VENEZIANISCHE NACHT (beide wurden in Pordenone gezeigt) kann man den exotischen Eskapismus feststellen, wobei hier den Reiseerzählungen aus der Welt der Reichen und Eleganten (Adria, Venedig) ein kultureller Stempel durch die Anleihen bei Shakespeare (Der Sturm, Ein Sommernachtstraum) aufgedrückt wird. DIE INSEL DER SELIGEN ist einer der eklektizistischsten Filme jener Periode; durch den Wechsel zwischen überladenen Tableaus und dokumentarischen Aufnahmen erscheint er wie die Kombination einer Feerie von Melies und Lumieres REPAS DE BÉBÉ mit einem Sujet, das unter anderem Homers Odyssee entstammt.

Offenbar liegen die Schlüsseljahre zwischen 1912 und 1914. In stilistischer Hinsicht findet man – selbst wenn man den aufkommenden Kunstfilm mit Regisseuren wie Urban Gad, Max Mack, Paul Wegener und Max Reinhardt berücksichtigt – eine Vielzahl von narrativen Modellen, von denen, wie es scheint, keines zur Norm erhoben wurde.29 DER ANDERE verdankt viel dem französischen film d'art und läßt sich in Ben Brewsters Taxonomie als „Frontalität mit Inszenierung in der Bildtiefe" einordnen30: die Dekors sind überladen mit Möbeln und objets d'art (in der Villa) oder es herrscht reges Treiben im Bildhintergrund (in der Kneipe „Lahme Ente"). Im Vergleich hierzu wirkt ENGELEIN deutlich „amerikanisch": Die bei der Vitagraph praktizierte „nine-foot-line" findet auch hier Verwendung, und die Interieurs sind so gestaltet, daß die Figuren viel Raum um sich haben. Die Beleuchtung betont die Tiefe des Bildes31, und die Außenaufnahmen vermitteln Nähe und Direktheit, indem die Kamera entweder dicht bei den Figuren bleibt oder sie schräg aufnimmt, mit einer deutlich hervortretenden Bilddiagonale. Die Verwendung von Zwischentiteln, um eine Szene zu gliedern, erinnert stark an das dänische Kino sowie an den frühen Sjöström. Es entsteht der Eindruck einer Schuß/Gegenschuß-Kontinuität, doch ohne tatsächliche Point-of-view-Montage.32 In formaler Hinsicht am interessantesten ist jedoch DER STUDENT VON PRAG. Im allgemeinen als „rückständig" eingeschätzt wegen der frontalen Inszenierungsweise, der räumlichen Kohärenz und der nahezu fehlenden Szenengliederung, versteht man den Film am besten als ein komplexes Beispiel für nicht-klassische Entwicklungen im frühen Kino.33 Die populären Genres warben, soweit man das im Nachhinein beurteilen kann, um ihr Publikum, indem sie verschiedene intermediale Bezüge schufen: zum Roman, zur Zeitung, aber auch zu französischen und amerikanischen Filmen.

Zwei Arten der Filmproduktion

Mir geht es hier allerdings vor allem um die Frage nach dem Filmstil zu einem Zeitpunkt, an dem die Filmwirtschaft nicht mehr vorwiegend „produzentengeleitet" (producer-driven)34 ist, sondern sich hin zu einer Situation bewegt, in der das Angebot mit der Nachfrage Schritt hält und Filmverleihe sowie ortsfeste Kinos zur Norm werden.35 In Deutschland wurde dieser Punkt offenbar um 1910/11 erreicht. Obwohl es schwierig ist, hier kategorisch zu sein – insbesondere weil Pathe und Eclair den deutschen Markt in quantitativer Hinsicht weiterhin beherrschen36 –, gibt es dennoch einen hilfreichen Indikator, um diese Veränderungen registrieren zu können: das Angebot der Messter Film. Oskar Messter war Deutschlands erster allround Kinobesitzer-Erfinder-Regisseur-Produzent-Vertreiber und wird gewöhnlich als Vater der deutschen Filmindustrie" angesehen. In seinem Katalog von 1897 werden bereits 84 Filme mit einer durchschnittlichen Länge von 28 Metern (etwas mehr als einer Minute) aufgeführt. Messters Produktionen der folgenden zwanzig Jahre (danach gingen seine Firmen in der Ufa auf) deckten ein weites Feld populärer Sujets ab: Dokumentarfilme und Aktualitäten37, Féerien wie SALOME und Tableau-Filme wie MEISSNER PORZELLAN, Abenteuerfilme, Melodramen und soziale Dramen, historische Kostümstücke und Heimatfilme38. Eines seiner wichtigsten Genres waren die sogenannten „Tonbilder", phonographische Aufnahmen synchron mit einem Darsteller, der vor der Kamera ein Lied oder eine Arie (für gewöhnlich aus dem Opern- oder Operettenrepertoire) mimt.39 Bis 1909 machen die Tonbilder einen nicht unerheblichen Teil der Kataloge aus, dann folgt ein rapider Rückgang und gegen 1913 sind sie völlig aus dem Angebot verschwunden.40 In dieser Veränderung können wir die „Hinwendung zum narrativen Film" feststellen, weg vom „illusionistischen Gesamtspektakel" oder dem „Kino der Attraktionen". Während die Tonbilder in gewisser Hinsicht „produzentengeleitet" waren in ihrer Verbindung von technologischem Experiment und intermedialem Bezug auf die Hochkultur (als einer Art Westentaschenoper), ist ihr schneller Niedergang ein gutes Beispiel für den Einfluß der „vorführungsgeleiteten" (exhibition-driven) Kräfte, nicht nur, weil die dazu benötigte Technik der Tonsynchronisation fragil und unzuverlässig war. Weil ihre Aufführung arbeitsintensiv war, ließen sich Tonbilder nur schwer in Programme einbauen. Damit waren sie wenig geeignet für die Standardisierungen (hinsichtlich der Programmund Vorführungsformate), die Hand in Hand gingen mit der Industrialisierung der Filmwirtschaft. Die Tonbilder blieben eine Art halbfertiges Produkt, das in die eher handwerkliche Phase des frühen Filmemachens gehört.

Das Beispiel Messter erlaubt es mir, eine Unterscheidung einzuführen, die offenbar konstitutiv für das deutsche Kino war und die quer steht sowohl zu der Aufteilung in realistische und phantastische Strömungen als auch zu der in Dokumentar- und Spielfilme, weshalb Filmhistoriker bisweilen von einer „Lumiere“- und einer ,,Méliès“-Tradition sprechen. Meine Unterscheidung läßt sich, vereinfacht gesagt, einerseits mit Oskar Messter und andererseits mit Max Skladanowsky verbinden; insoweit als diese beiden deutschen "Pioniere" für das stehen, was Noël Burch die "zwei Arten des Imaginären" des Kinos nennt (was natürlich auch heißt, daß diese Unterscheidung über das deutsche Kino hinaus wirksam ist). Burch spricht von einem „Edisonschen" Imaginären, das am kinematographischen Apparat als dem Streben nach einem tendenziell totalen Simulacrum des Lebens interessiert ist, und von einem "analytischen" Imaginären a la Marey und Muybridge, das Bewegung in immer kleinere Einheiten zergliedern will. Mir scheint jedoch, daß wir auch das Imaginäre des Bastler-Erfinders von der Art Messters ("analytisch") gegen das des Vorführer-Unterhalters Skladanowsky ("Totalerfahrung") setzen können, um so die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was ich "produzentengeleitetes" und "vorführungsgeleitetes" Modell des Filmemachens genannt habe. Während die Brüder Skladanowsky ihr Bioskop anstelle von, sagen wir, Röntgenstrahlen als eine publikumswirksame Neuheit entwickelten und das Kino zu einer Form der Unterhaltung machten, ließ sich Messter offenbar von anderen Gedanken leiten. Zunächst verbrachte er viel Zeit damit, neue Verwendungsmöglichkeiten für seine Erfindungen und Entwicklungen zu bedenken. Nicht zufrieden damit, ein zahlendes Publikum in seine Vorstellungen zu locken, schrieb er an Schulen und Armeeoffiziere, an Staatsbeamte und Regierungsausschüsse, um eine Vielzahl von Anwendungsbereichen für den Kinematographen in Wirtschaft, Wissenschaft, Militär, Erziehung und Verwaltung vorzuschlagen. Er sah in den Aufzeichnungsmöglichkeiten des bewegten Bildes ein gesellschaftliches Potential, das weit über die Unterhaltung hinausging. Messter rückt damit sehr viel näher an die "audiovisuelle Revolution" heran, wie wir sie heute erleben, in der die Verwendung von Video zur Informationsbeschaffung, zur Überwachung und zu nachrichtendienstlichen Zwecken, zur Aufzeichnung und zur Simulation ebenso wichtig ist wie die Unterhaltung. Ein weiterer bedeutender Aspekt von Messters Strategie war, daß er, anders als Skladanowsky, so viele verschiedene Bereiche und Aspekte des Filmemachens zu monopolisieren suchte, wie er nur konnte. Durch die Verbindung von Hardware (Produktion eigener Projektoren und Kameras) und Software (Filme) führte er dabei auch das Prinzip der vertikalen Integration ein. Man kann Messters Erbe in solch herausragenden Figuren wie Guido Seeber sehen, aber auch in den "Qualitätsproduktionen" der Ufa während der frühen zwanziger Jahre, als sich die besondere Rolle des Kinos der Weimarer Republik herausbildete, in Form eines fortdauernden Interesses am filmischen Prozeß selbst, in der Erforschung des Mediums durch Filme, deren Geschichten so oft Metaphern des Filmemachens waren.

Der französische Einfluß: Imitation, Plagiat

Im Gegensatz dazu verweisen die Filme der Brüder Skladanowsky auf einen ganz anderen Kontext – den eines kommerziell ausgerichteten Eklektizismus, der nichts dabei fand, erfolgreiche Modelle oder Prototypen zu übernehmen, zu imitieren oder zu plagiieren. In dieser Hinsicht belegen ihre Filme die Tatsache, daß das frühe Kino bis hin zum Ersten Weltkrieg sehr viel internationaler war als gemeinhin angenommen wird; und die Produktion von Skladanowsky rückt somit in die Nähe von Pathe, Lubin oder Biograph. Die internationale Dimension war in zwei Richtungen wirksam: Filmemacher und Produzenten wußten, was die Konkurrenz in anderen Ländern machte, und versuchten mitzuhalten, indem sie entweder „noch einen drauf setzten" oder deren Produkte imitierten und plagiierten.41 Desgleichen sah das Publikum nicht nur einheimische Filme. Aufgrund der ungeheuren Nachfrage bekamen die Zuschauer alles vorgesetzt, was Vertreiber oder Kinobesitzer nur finden konnten. Mit anderen Worten, sowohl Produzenten als auch Publikum orientierten sich eher am internationalen Geschmack als am rein nationalen.

Viele der zwischen 1896 und 1914 gemachten Filme, die erhalten geblieben sind, belegen diese Beobachtungen auf schlagende Weise. Max Skladanowskys Berliner Aufnahmen von 1897 (DIE WACHE TRITT INS GEWEHR), die komischen Nummern (BROTHERS MILTON KOMISCHES RECK) oder die recht sorgfältig inszenierten Straßenszenen (EINE KLEINE SZENE AUS DEM STRASSENLEBENIN STOCKHOLM), in denen zuviel Komisches oder Waghalsiges geschieht, als daß man es bei nur einmaligem Betrachten erfassen könnte (eine Art „Drei-Arenen-Zirkus“-Effekt, der recht typisch für den frühen Film ist42), all diese Beispiele hätten in jedem anderen Land von jeder anderen Gesellschaft produziert werden können. Thematik und Format werden durch den „intermedialen Bezug" auf das Varietetheater oder gar auf die Vorführpraktiken des Kinetoscope bestimmt. Eugen Skladanowskys EINE FLIEGENJAGD (1905?/1912?, 6 Min.) ist eine amüsante und geschickte filmische Bearbeitung einer klassischen Situation aus der französischen Komödie: Eine Frau kann nicht schlafen, weil ihr Zimmer an das eines Komponisten grenzt, der nachts, nach seiner Rückkehr von einem Konzert oder von einem Stadtbummel, eine Eingebung hat. Die originelle Wendung, die Skladanowsky diesem Sujet gibt, ist Frau Schulzes Rache: Sie schmuggelt eine summende Fliege durch das Schlüsselloch in das Nachbarzimmer und löst so einen anderen wohlbekannten frühen Sketch aus. Um die Fliege zu fangen, zerstört der Komponist schließlich Möbel und Einrichtung in einem immer intensiver werdenden Crescendo von Frustration und Gewalt. EINE FLIEGENJAGD zeugt nicht nur von Vertrautheit mit französischen oder amerikanischen Schlüsselloch-Filmen, sondern benutzt dieses Element zudem auf neue Weise – als Durchgang für die Fliege von einem Schauplatz zum anderen. Skladanowsky „setzt noch einen drauf" im Vergleich zu seinen Vorgängern und macht aus dem Schlüsselloch tatsächlich einen Übergang von einem Genre zum anderen, vom Einakter-Sketch zu einer komplizierteren Erzählstruktur. Diese Komplexität wird noch unterstrichen durch die sehr gewandte Kamerafahrt zwischen den beiden Räumen sowie einige äußerst unaufdringliche, weil handlungsmotivierte und damit narrativ integrierte Zwischenschnitte. Während Barry Salt also zu Recht EINE FLIEGENJAGD als eines der vielen Beispiele von Filmen aus dem Jahr 1905 erwähnt, in denen Insertaufnahmen nahezu genau wie "echte" Großaufnahmen verwendet werden (z.B. die Fliege auf dem Spiegel oder auf dem Tintenfaß), denke ich dennoch, daß er unterschätzt, wie diese Großaufnahmen mit anderen Verfahren zusammenwirken. EINE FLIEGENJAGD ist somit ein äußerst raffinierter Film für 1905 (wenn es auch Zweifel an der Datierung durch das National Film Archive gibt), der deutlich beweist, daß das deutsche Kino zu jener Zeit weder in technischer noch in stilistischer Hinsicht "rückständig" war.43

Ein kommerzieller Regisseur: Bolten-Baeckers

Die Praktiken von Skladanowsky gehören damit nicht nur zum nachfragegeleiteten Modell, sondern auch zu dem Teil einer nationalen Filmproduktion, der von den internationalen Wettbewerbsbedingungen gekennzeichnet war. Ein weiteres Beispiel einer nachfragegeleiteten Karriere im frühen deutschen Kino ist Heinrich Bolten-Baeckers, ein Regisseur, der sich offenbar sehr schnell auf die Notwendigkeit, längere Filme zu produzieren, einstellen konnte. Um 1909 macht er noch kurze Einakter wie KLEBOLIN KLEBT ALLES und DON JUAN HEIRATET. Ich habe letzteren nicht gesehen, doch KLEBOLIN (4 Min.) ist ein sehr lebhafter, komischer Sketch, in dem zwei Jungen eine Art Wunderkleber entdecken und damit allerlei Dinge aneinanderkleben: Tisch, Tischtuch und die dazugehörige Vase; Kaffeetassen, Stühle und Ober; das Gewehr eines Wachsoldaten an das Schilderhäuschen; die Hosenböden anderer Knaben an einen Zaun. Einer ihrer besten Streiche besteht darin, Blumentöpfe mit ihrem Kleber zu bestreichen, sie danach an die Wand zu weden und den Tisch gleich dazu, so daß alles nun im rechten Winkel hängt: der Effekt ist dabei der eines trompe-l'oeil, ähnlich dem illusionistischen Aufhängen von Bildern in THE INGENIOUS SOUBRETTE (1902). Alles läuft in einer wahnwitzigen Geschwindigkeit ab, einschließlich des Kusses, den ein Offizier der Freundin des Soldaten gibt, während dieser sich müht, mit dem am Wachhäuschen klebenden Gewehr zu salutieren.

Zu Anfang der zehner Jahre macht Bolten-Baeckers jedoch Filme wie DIE HAND DES SCHICKSALS (1912, Kopie unter dem Titel THE HANDOF JUSTICE im National Film Archive), ein zwanzigminütiger Thriller-cum-Melodrama um einen Safeknacker und Gentleman-Dieb, der die Tochter eines Bankiers heiratet und ehrlich wird, bis ihn schließlich sein gerade aus dem Gefängnis entlassener Ex-Komplize erpreßt. Für Bolten-Baeckers' eigene Firma BB gemacht (von Pathé Frères mitfinanziert), muß der Film erfolgreich gewesen sein, denn schon im folgenden Jahr macht er selbst ein Remake, diesmal für die soeben gegründete Literaria Film-AG (eine Tochtergesellschaft von Duskes Kinematographen & Film-Fabriken und, wiederum, Pathé Frères). Neben dem Einfluß französischer und skandinavischer Detektiv-Filme (der Held wird durch die Hartnäckigkeit eines Detektivs gestellt, der sich, wie in manchen dänischen Filmen, als Frau verkleidet, um den Komplizen zum Sprechen zu bringen), ist einer der bemerkenswertesten Züge von DIE HAND DES SCHICKSALS die bereits erwähnte mögliche Verbindung mit Maurice Tourneurs ALIAS JIMMY VALENTINE. Dieser Film wurde von Pathé in Amerika produziert und ist ein Beispiel dafür, daß eine große Filmgesellschaft die Rechte an einem literarischen Gesamtwerk erwirbt, um sich populäres und erfolgreiches Material zu sichern – im vorliegenden Fall die Kurzgeschichten von O'Henry.44 Somit scheint es, als sei der Film Bolten-Baeckers', über die Verbindungen von BB und Literaria mit Pathé, sowohl »Prototyp" (für Tourneurs amerikanisches »Remake") als auch "Remake" (von Bolten-Baeckers selbst), und zwar im Rahmen einer streng international ausgerichteten Gesellschaft, die hier das Konzept "national spezifischer Versionen" ihres Geschichtenfundus erprobt.

Nimmt man DIE HAND DES SCHICKSALS als einen temporeichen Thriller, gibt es eine Reihe herausragender Szenen. Auf einen erfolgreichen Einbruch folgt eine bemerkenswerte Verfolgungsjagd, in deren Verlauf der Held, an einem Bahnübergang aufgehalten, auf den vorbeifahrenden Zug aufspringt. Rittlings auf dem Puffer sitzend, nimmt er den falschen Bart ab, springt wieder ab und besteigt den Zug in der Gegenrichtung. Er narrt so auch noch die Polizei, die bereits den Bahnhofsvorsteher alarmiert hat. Tempo und Timing sind der Anfangssequenz von DR. MABUSE beinahe gleichwertig, bis hin zum Hinken des Helden, nachdem er sich bei seinem Sprung vom Zug verletzt hat. Besonders beachtenswert ist die Alternation zwischen dem Helden, der im Halbdunkel der Villa mit Ruhe und Präzision am Safe arbeitet, und seinem Komplizen draußen am Tor, der aufmerksam gespannt um sich schaut.

Der Höhepunkt der Geschichte spielt fünf Jahre später, wenn eine der Töchter des Helden von ihrer Schwester unabsichtlich im Safe eingeschlossen wird. Um sie vor dem Ersticken zu retten, muß er sein altes "Handwerkszeug" benützen. So verrät er sich als der Einbrecher, der Jahre zuvor in das Haus seines jetzigen Schwiegervaters eingedrungen war. Um auf die dramaturgische Bedeutung des Safes hinzuweisen, arbeitet Bolten-Baeckers mit einer Inszenierung in der Bildtiefe. Nicht nur die Handlung teilt sich auf in Hintergrund (die spielenden Mädchen) und Vordergrund (der an seinem Schreibtisch arbeitende Vater), wobei sich der Safe in der Bildmitte befindet, während der Tisch links steht – Bolten-Baeckers lenkt auch das Wissen des Zuschauers in zwei Richtungen: Mit dem Helden gemeinsam müssen wir nämlich noch den unwillkommenen Komplizen im Auge behalten, der sich die ganze Zeit hinter einem Vorhang versteckt hält. Wenn schließlich die übrige Familie den Raum verlassen hat, damit die beiden Männer versuchen können, den Safe zu öffnen, erwartet uns ein neuerlicher Schock. Aus dem Off erscheint der Detektiv mit einer Pistole: Die ganze Zeit über war er ein ungesehener Zeuge, der nun die (behandschuhte) ,,Hand des Schicksals" auf die Schulter des Helden legt, um ihn abzuführen. Bolten-Baeckers' Inszenierung sorgt hier für eine äußerst komplexe, spannungsreiche, auch visuell gelungene Lösung, die den Zuschauer auf eine Weise führt, welche die Art mise-en-abyme ahnen läßt, für die deutsche Regisseure in den zwanziger Jahren zu Recht berühmt wurden.

In stilistischer Hinsicht stehen Inszenierung, Schnitt und Drehbuch in THE HAND OF JUSTICE den amerikanischen oder internationalen Standards jener Zeit in nichts nach. Die Ökonomie der Schauplätze erinnert an Griffith, die Verwendung des Off-Raums ist vergleichbar mit Ralph Ince. In Hinblick auf das Genre hat der Film keinen anderen Ehrgeiz als den, ein gut gemachter Thriller zu sein, wobei die Sympathie des Publikums fest auf Seiten des Helden steht, der moralisch gesehen ein Bösewicht ist. Schließlich ist bei diesem so ungeniert kommerziellen Film noch bemerkenswert, daß das Sujet eigentlich eine Doppelgänger- oder Jekyll-und- Hyde-Geschichte ist (der Held im Zwiespalt zwischen seiner kriminellen Vergangenheit und seiner gegenwärtigen Respektabilität; der Komplize als alter ego, das ihn verfolgt; das nun für ihn Wertvollste ist da eingeschlossen, wo er früher einmal die Wertsachen eines anderen entnommen hat). Ein Jahr vor DER ANDERE und DER STUDENT VON PRAG entstanden, verstärkt DIE HAND DES SCHICKSALS noch die Skepsis gegenüber einer Interpretation des Doppelgängermotivs im deutschen Film als Schlüssel zur Seele der deutschen Nation. Da der Stammbaum des Films französisch und skandinavisch ist (wobei er noch einen amerikanischen Doppelgänger hervorbringt) neigt man eher dazu, in ihm den Beweis dafür zu sehen, daß zumindest ein Teil des deutschen Kinos der zehner Jahre unser Interesse verdient - wenn wir nur mehr darüber wüßten (oder endlich mehr davon zu sehen bekämen) -, und zwar aufgrund seiner Beherrschung filmischer Prozesse und Erzählweisen, nicht wegen seiner Herrschaft über die dunklen Kräfte des politisch Unbewußten.

Zum Abschluß, aber nicht abschließend

Worauf laufen nun diese kurzen und notwendigerweise auch etwas punktuellen Bemerkungen hinaus? Sie weisen darauf hin, daß die retrospektive Kohärenz, ja eigentlich alle Kohärenz, die für das wilhelminische Kino als "nationales" Kino oder aber auch als Vorläufer von CALIGARI und Vorahnung dessen, was später kommen würde, unterstellt wird, womöglich eine optische Illusion nachträglicher Einsichten ist. Wenn die Filme es wert sind, untersucht zu werden, dann in erster Linie um ihrer selbst willen, als Dokumente und Zeugnisse, danach als (unbeabsichtigte) Belege für eine Untersuchung dieses Kinos im internationalen Kontext, schließlich, um die Dynamik dieser internationalen Zusammenhänge neu zu beschreiben. Letzteres könnte sogar dazu führen, daß wir das, was spezifisch national an diesem Kino ist, neu definieren: nicht mehr ausgehend vom Begriff der Psyche einer Nation, sondern davon, wie das "historische" Imaginäre45 von Filmemachern und Pionieren (die Art, wie sie sich selbst sehen, und die Vorstellungen, die sie vom Kino haben) zusammenwirkt mit den ökonomischen und sozialen Anforderungen neuer Technologien und ihrer (profitorientierten oder politischen) Nutzung.

Wenn wir die Mechanismen von kultureller Legitimation, Polarisierung des Geschmacks und intensiver ideologischer Auseinandersetzung, in die bereits das wilhelminische Kino verwickelt war, zu verstehen beginnen, müssen wir uns allerdings auch vor „dekonstruktiven" Wendungen hüten, die die Paradigmen einfach umkehren und durch eine Reihe von Gegenmythen ersetzen, wie nützlich diese auch sein mögen für das, was uns gegenwärtig beschäftigt. Wie sich zeigt, geht es bei den Gegenmythen zum wilhelminischen Kino nicht um die Untersuchung von immer mehr Filmen, um den „Kanon" zu erweitern oder zu verändern (so wie während der siebziger Jahre das „realistische“, ,,proletarische“ und „politische“ Kino der Weimarer Republik zum „guten Objekt“ der deutschen Filmgeschichte wurde, im Gegensatz zu den politisch suspekten Ufa-Großfilmen), auch nicht um die Wiederentdeckung vernachlässigter, zu Unrecht vergessener oder verloren geglaubter Filme (in der Tradition der „Giornate del cinema muto“). Stattdessen postuliert das neue Paradigma eine alternative Öffentlichkeit, ausgehend von alternativen Zuschauerhaltungen und -interessen: Die Argumente beruhen auf einer Hinwendung zu anderen Genres (das populäre und sich an ein weibliches Publikum wendende Melodrama gegenüber dem phantastischen Film, der nun als männlich und pseudo-intellektuell erscheint), einer Bevorzugung anderer Stars (Louise Brooks und Marlene Dietrich sind out, Henny Porten und Asta Nielsen sind in) sowie auf einem Übergang zu anderen filmtheoretischen Paradigmen (Kracauersche „Lebensphilosophie" und die Psycho-Soziologie der Frankfurter Schule sind out, Rezeptionstheorie, Foucault und das Studium der Konsumentenkultur sind in). Die Gefahr dabei ist, daß damit erneut eine monolithische Identität geschmiedet wird – gleichviel ob sich das Kino nun über seine Beziehung zum weiblichen Zuschauer oder über die unmöglichen Widersprüche im Konsumentendasein definiert. All dies mag durchaus richtig sein; doch erlaubt es uns, das deutsche Kino zu verstehen in Hinblick auf die Fragen, die wir stellen wollen? Könnte nicht überhaupt der Versuch, dieses Kino als „anders" zu beschreiben, voreilig sein? Wenn das wiederbelebte Interesse am frühen deutschen Film nicht aus dem Bedürfnis stammt, sowohl Mythen als auch Gegenmythen zu „dekonstruieren", sondern aus einer größeren Aufmerksamkeit für alle zur Verfügung stehenden Daten, filmische wie außerfilmische, die von Enthusiasmus und harter Arbeit am frühen Kino zutage gefördert werden – dann werden sowohl Theorie als auch Geschichte, die Archive wie auch die akademische Wissenschaft dabei gewinnen.

(aus dem Englischen von Frank Kessler)

Notes

1

Der vorliegende Text ist eine überarbeitete und erweiterte Fassung des Artikels „National Subjects, International Style: Navigating Early German Cinema / Soggetti nazionali, stile internazionale: un periplo nel primo cinema tedesco" in: Paolo Cherchi Usai / Lorenzo Codelli (Hg.), Before Caligari / Prima di Caligari, Pordenone: Biblioteca dell'Immagine, 1990, S.338-355.

2

Siehe Siegfried Kracauer, Von Caligari zu Hitler, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1979.

3

Siehe Lotte Eisner, Die dämonische Leinwand, Frankfurt/M.: Fischer, 1980.

4

Herbert Tannenbaum scheint als einer der ersten den frühen deutschen Film abschätzig beurteilt zu haben. Vgl. Helmut H. Diederichs (Hg.), Der Filmtheoretiker Herbert Tannenbaum (Kinematograph Nr.4), Frankfurt/M.: Deutsches Filmmuseum, 1987.

5

Siehe z.B. Eric Rhode, A History of the Cinema from its Origins to 1970, London: Penguin Books, 1976.

6

Wie beispielsweise in den Beiträgen von Carlos Bustamante, “Early Motion Picture Filmstock - An International lnterdependency" und Martin Loiperdinger, "La diffusion du Cinématographe Lumière en Allemagne par Stollwerck S.A., Cologne" auf dem Domitor-Kongreß 1992 in Lausanne.

7

Siehe Herbert Birett, Verzeichnis der in Deutschland gelaufenen Filme. Entscheidungen der Filmzensur 1911-1920, Berlin, Hamburg, München: Saur, 1980.

8

Siehe z.B. Anne Paech, Kino zwischen Stadt und Land. Geschichte des Kinos in der Provinz, Osnabrück, Marburg, 1985.

9

Gerhard Lamprecht, Deutsche Stummfilme 1903-1931, 9 Bände und ein Registerband, Berlin, 1967-70.

10

Siehe Hans Michael Bock (Hg.), Cinegraph. Lexikon zum deutschsprachigen Film, München: Text und Kritik, 1984ff.

11

Seit 1981 werden die „Giornate del cinema muto" alljährlich von der Cineteca del Friuli unter der Leitung von Davide Turconi, Livio Jacob, Paolo Cherchi Usai und Lorenzo Codelli organisiert. Die Retrospektive früher deutscher Filme folgte auf andere, die ebenfalls nationalen Produktionen aus Europa gewidmet waren: Dänemark und Schweden 1986, Rußland 1989.

12

Prima di Caligari, a.a.O.

13

Siehe auch Elena Dagrada, „Franz Hofer: un magico guardone alla corte di Gugliemo II" in: lmmagine (nuova serie) Nr.17, 1991, S.23-30.

14

Siehe Anton Kaes, Kino-Debatte, Tübingen: Niemeyer, 1978.

15

Siehe dazu unter anderem Kaes, a.a.0.; Ludwig Greve, Margot Pehle, Heidi Westhoff (Hg.), Hätte ich das Kino!, Ausstellungskatalog des Schillermuseums, Marbach, 1976; Helmut H. Diederichs, Anfänge deutscher Filmkritik, Stuttgart: Fischer und Wiedleroither, 1986; Heinz B. Heller, Literarische Intelligenz und Film, Tübingen: Niemeyer, 1985.

16

In diesem Zusammenhang wäre allerdings auf verschiedene Arbeiten von Hans Michael Bock sowie auf das Buch von Wolfgang Jacobsen, Erich Pommer. Ein Produzent macht Filmgeschichte, Berlin: Argon Verlag, 1989 zu verweisen.

17

Siehe Julian Petley, Capital and Culture, London: BFI, 1971, der sich auf die beiden deutschen Standardwerke von Spiker und Becker stützt, die ihrerseits einiges der sozio-ökonomischen Studie Peter Bächlins Der Film als Ware (1945) verdanken, welche wiederum auf die klassischen Studien von Mae D. Hutting und Legg-Klingender aus den dreißiger Jahren zurückgeht…

18

Anläßlich des 75jährigen Geburtstages der Ufa sind einige nuanciertere Betrachtungen erschienen. Siehe Klaus Kreimeier, Die Ufa-Story, München: Hanser, 1992, und Michael Töteberg / Hans Michael Bock (Hg.), Die Ufa, Frankfurt/ M.: Zweitausendeins, 1992.

19

Siehe hierzu meinen Artikel "Filmgeschichte: Firmengeschichte: Familiengeschichte" in: H.M. Bock, C. Lenssen (Hg.), Joe May, München: Text und Kritik, 1991.

20

Siehe dazu auch den Artikel von Elena Dagrada in Prima di Caligari, a.a.O.

21

Siehe dazu auch den Artikel von Frank Kessler in Prima di Caligari, a.a.O.

22

Siehe Barry Salt, “From Caligari to Who?" in: Sight and Sound, Vol.48, Nr.2, 1979.

23

„Lubitsch's Lighting", unveröffentlichter Vortrag auf dem Lubitsch-Kongreß der University Of East Anglia, Norwich, 1982.

24

Auf dem Domitor-Kongreß in Lausanne wurde die Problematik des Begriffs "Einfluß" ausführlich diskutiert. Siehe dazu auch den Bericht von Claire Dupré la Tour in diesem Band.

25

So beginnt z.B. Eric Rohde sein Kapitel über das Kino der Weimarer Republik mit einer detaillierten Beschreibung und Würdigung von AFGRUNDEN und ENGELEIN. (vgl. a.a.O., S. 157-160).

26

Siehe dazu auch den Artikel von Janet Bergstrom in Prima di Caligari, a.a.O.

27

Siehe dazu auch den Artikel von Corinna Müller in Prima di Caligari, a.a.O.

28

Georg Seeßlen hat in einem Vortrag, in dem er Richard Oswalds "Sittenfilme" im Zusammenhang der Veränderungen diskutiert, die sich zwischen Wilhelminischem und Weimarer Kino beim Publikum ergeben, ähnlich argumentiert.

29

Von einer bestimmten historischen Warte aus reflektiert der Autorenfilm in erster Linie die ideologischen Diskurse der Selbstlegitimation und das Geschick, Formeln für eine Produktdifferenzierung zu finden, die eine spätere Generation (in den Jahren nach dem Weltkrieg) übernehmen und verwenden konnte: die der phantastischen Filme der zwanziger Jahre und des sogenannten Expressionismus.

30

Ben Brewster hat eine Reihe von Kategorien erarbeitet, die es erlauben, europäische Filmstile nach bestimmten Parametern einzuordnen: Inszenierung in der Bildtiefe / lange Einstellungen, Inszenierung in der Bildtiefe / höhere Schnittfrequenz, Inszenierung in der Bildtiefe / Frontalität (Auftreten, Abgehen), Inszenierung in der Bildtiefe / Gegenschuß. Siehe dazu Ben Brewster, "Deep Staging in French Films" in: Thomas Elsaesser (Hg.), Early Cinema: Space, Frame, Narrative, London: BFI, 1990.

31

Bei einem Kritiker heißt es "weiß in weiß".

32

Siehe John Fullerton, "Spatial and Temporal Articulations in pre-classical Swedish Films" in: Thomas Elsaesser (Hg.), Early Cinema a.a.O. Fullerton stellt fest, daß, anders als beim amerikanischen Film, wo Forscher wie Tom Gunning und andere sich auf die Organisation räumlichzeitlicher Bezüge konzentriert haben, im schwedischen Film die Zwischentitel einen zentralen Faktor darstellen.

33

Siehe Leon Hunt, "Division and Codification of Space in The Student of Prague" in: Thomas Elsaesser (Hg.), Early Cinema, a.a.O.

34

Diesen Aspekt behandele ich in "Schünzel und der Publikumsfilm: Zum Beispiel Hallo Cäsar", in: Jörg Schöning (Hg.), Reinhold Schünzel, München: Text und Kritik, 1989, S.39-49.

35

Siehe auch Barry Salt, Film Style and Technology. History and Analysis, London: Starword, 1983, S.83.

36

Was das "Deutsche" des deutschen Kinos betrifft, ist es nicht unwichtig, daran zu erinnern, daß Erich Pommer anfangs bei Gaumont angestellt war und daß der Name der Firma, die er bei Kriegsausbruch gründete, "Decla", für "Deutsche Eclair" steht. Siehe dazu auch den Beitrag von Sabine Lenk in diesem Band.

37

So findet man z.B. Titel wie: RÜCKKEHR DES KAISERPAARES UND DER KÖNIGLICHEN PRINZEN VON DER HERBSTPARADE AM 1.9.1910.

38

U.a. Titel wie: ALEXANDRA - DIE RACHE IST MEIN, ZU SPÄT, ADRESSATIN VERSTORBEN, ZWEI FRAUEN, AUS EINES MANNES MÄDCHENZEIT, VERLOBUNG AUF DER ALM, EIN VERGNÜGTER WINTERTAG IM BERLINER GRUNEWALD, ANDREAS HOFER usw. Unter den Schauspielern, deren Karriere bei Messter begann, findet man Henny Porten, Lil Dagover, Ossi Oswalda, Emil Jannings, Harry Liedtke, Harry Piel, Reinhold Schünzel, Conrad Veidt.

39

So kam Henny Porten über ihren Vater, den Opernsänger Franz Porten, zu Messter.

40

"Dann erschienen um 1910 lange künstlerische Spielfilme, und damit ging die erste Tonbildepoche zu Ende." Oskar Messter, Mein Weg mit dem Film, Berlin-Schöneberg, 1936, zitiert nach Corinna Müller, Der Übergang zum langen Spielfilm, unveröffentlichte Magisterarbeit, Universität Hamburg, 1989.

41

Zahlenmaterial zum Wettbewerb in Europa findet man bei Peter Bächlin, Der Film als Ware, Basel, 1945.

42

So heißt es im Biograph Bulletin in einer Anzeige von Griffith' THE CURTAIN POLE: "... it will arouse renewed interest at every re-viewing, for, like a three-ring-circus, so many things occur that it is simply impossible to catch them all at first sitting". The Biograph Bulletins, S.64.

43

Siehe den bereits erwähnten Artikel von Elena Dagrada in Prima di Caligari, a.a.O., sowie die Erwähnung des Films bei Judith Mayne, "The Woman at the Keyhole: Women's Cinema and Feminist Criticism" in: New German Critique Nr.23, 1981.

44

Siehe auch David Bordwell, Janet Staiger, Kristin Thompson, The Classical Hollywood Cinema, New York: Columbia UP, 1985, S.100f.

45

Zu diesem Aspekt siehe auch meinen Artikel "Film History and Visual Pleasure: Weimar Cinema" in: P. Mellencamp, P. Rosen (Hg.), Cinema Histories, Cinema Practices, Frederick, MA: University Publications of America, 1984, S.47-86.