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Elsaesser, Thomas. “Einleitung.” In Kino der Kaiserzeit. Zwischen Tradition und Moderne, edited Thomas Elsaesser, Michael Wedel, 11-42. München: Edition Text + Kritik, 2002.

Einleitung: Kino der Kaiserzeit

Thomas Elsaesser

from Kino der Kaiserzeit. Zwischen Tradition und Moderne by Thomas Elsaesser, Michael Wedel (eds.)

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Das deutsche Kino ist vor allem für sein so genanntes ›Goldenes Zeitalter‹ – die expressionistischem Filme der 20er Jahre – und für seine lange Reihe außergewöhnlicher Regisseure bekannt. Dieser doppelte Fokus auf Autorenkino und Filmautoren, in dem sich der Kampf um kulturelle Respektabilität und eine Vorliebe für psychologische Selbstbeobachtung spiegeln, hat den Schatten über dessen andere Seite nur noch länger werden lassen: Die Geschichte des populären deutschen Kinos ist weitgehend im Dunkeln geblieben. Am offensichtlichsten gilt dies für die ersten beiden Jahrzehnte, in denen lange Zeit die einschlägigen Filmgeschichten nur weniges der näheren Betrachtung wert erachteten. Zu verführerisch war es, aufgrund der katastrophalen gesellschaftlichen und politischen Geschichte Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Kino als einen Ort par excellence zu betrachten, an dem verborgene Wahrheiten der Nation und ihrer ›Seele‹ sichtbar werden. Besonders nach 1945 war das Erklärungsdefizit über die Ursprünge und den Aufstieg des Nationalsozialismus derart groß und der skrupellose Einsatz des Kinos als Propagandainstrument durch das Nazi-Regime derart einschneidend gewesen, dass jede Darstellung des deutschen Kinos, um welche Periode es auch ging, nolens volens ihre eigene Version einer ›hindsight history‹ lieferte.1

Doch jene Zeit, die sich für eine solche retrospektive Teleologie am wenigsten eignete, war die der Kinokultur bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Vor die Aufgabe gestellt, entweder die Wurzeln des Nationalismus zu dokumentieren oder eine internationale, selbstbewusste Avantgarde-Tradition aus ihrem Debakel zu ›erretten‹, musste das frühe deutsche Kino enttäuschen. Die Filme selber erschienen, verglichen mit der zeitgenössischen Produktion anderer Länder wie Frankreich und Dänemark, schwerfällig und stilistisch ›zurückgeblieben‹.2 Die offensichtlicheren Parallelen zu anderen Ländern – die weit reichende Anziehungskraft auf Zuschauer aller Gesellschaftsschichten, der gerissene Opportunismus und schamlose Sensationalismus, vor allem aber die zahllosen Querverbindungen zu anderen Massenmedien jener Zeit – wurden stillschweigend übergangen oder lediglich als auffällige Makel gerügt. Paradoxerweise können uns aber gerade diese ersten Jahrzehnte der Innovationen und Experimente, der Konsolidierung, der schnellen Umschwünge und tiefen Krisen mehr über ein ›nationales‹ Kino verraten als jede noch so große Zahl symptomatischer Meisterwerke.

Die Kluft zwischen Hoch- und Populärkultur ist jedoch nicht das Einzige, was einer Revision harrt. Der Umstand, dass das Kino in Deutschland, zumindest nach dem Ersten Weltkrieg, als ein politisches Phänomen beurteilt wurde, hat zu einer Reihe explizit ideologischer Geschichtsdarstellungen (über das Kino als Spiegel autoritärer, nationalistischer oder patriarchalischer Wertvorstellungen) geführt, und an die Stelle von (Film-) Geschichte sind implizite Kunst-Ideologien (Werturteile vom Standpunkt der ›Kunst‹, des ›Realismus‹ oder der ästhetischen ›Fortschrittlichkeit‹) getreten. Eine solche Politisierung setzt voraus, dass auch das Kino Teil des deutschen ›Sonderwegs‹ in die Moderne ist, mit all den katastrophalen Konsequenzen, die schon in den Titeln der berühmtesten Darstellungen des deutschen Films anklingen: Siegfried Kracauers Von Caligari zu Hitler und Lotte Eisners Die dämonische Leinwand. Wenn es jedoch um ein nationales Kino geht, das wie kein anderes retrospektiven Teleologien offen steht, so könnte am Anfang jeder Neubewertung stehen, gerade diese Grundannahme in Frage zu stellen und für eine gewisse ›Normalisierung‹ zu plädieren.

Angesichts der schwer wiegenden Vorwürfe Kracauers und Eisners muss der Begriff der ›Normalisierung‹ den Verdacht des Revisionismus, wenn nicht sogar der Apologie erwecken, nach dem Beispiel einer mittlerweile notorischen Tendenz der jüngsten Geschichtsschreibung, von der zumindest die deutsche Kunst und Kultur ihre Unschuld wiederhergestellt sehen will. Gerade weil dies hier nicht beabsichtigt ist, soll der Begriff an dieser Stelle eingeführt werden, trotz aller ambivalenten Konnotationen. Vor allem zwei Gründe scheinen trotz aller Bedenken eine ›Normalisierung‹ der deutschen Filmgeschichte zu rechtfertigen. Erstens steht in den Beiträgen dieses Bandes tatsächlich ein Kino im Mittelpunkt, das ›normal‹ im Sinne von gängig und einer breiten Masse zugänglich war. Zweitens kann dieses Kino nur unter Verwendung eines vergleichenden Ansatzes verstanden werden, der in der Lage ist, für jeden Zeitabschnitt zwischen 1895 und 1917 eine Definition zu geben für die jeweils gültige ›Norm‹ oder für die in Stilgebung, Produktion und Rezeption jeweils wirksamen ›Erwartungshorizonte‹, an denen die Ausnahmen (und möglichen ›Sonderwege‹) sich erst ermessen lassen. In der Vergangenheit hat die Erforschung der Primärquellen vor allem Bruchstücke zutage gefördert: einzelne, aus ihren historischen Kontexten herausgelöste Filme. Ein weiter gefasster, vergleichender Maßstab wird hier hoffentlich korrigierend eingreifen. Die internationale Filmgeschichtsschreibung der 80er Jahre hatte es sich zum Ziel gesetzt, derartige Normen zu erkennen, zu testen und zu verifizieren, ein Ansatz, dem wir zum Beispiel die Arbeiten von Noël Burch und Barry Salt, Ben Brewster, Tom Gunning und Charles Musserverdanken.3 Fügt man hier jenes monumentale Forschungsprojekt hinzu, das Ursprung und Stabilisierung des ›Produktionsmodus‹ im klassischen Hollywoodkino untersucht hat, wird der potenzielle Nutzen einer solchen Herangehensweise deutlich.4

Allein aus der Tatsache, dass mehrere Autoren dieses Bandes das deutsche Kino innerhalb eines solcherart übergreifenden, vergleichenden Zusammenhangs diskutieren, lässt sich bereits ableiten, dass hinsichtlich der Periodisierung auch in Deutschland für ein Verständnis der weiteren Geschichte des Kinos die Jahre 1902-1906 und 1907-1913 entscheidend sind.5 In der ersten Periode konsolidiert sich die Aufführungspraxis im Kino als ortsfeste, filmspezifische Abspielstätte; es entsteht ein auf den Kurzfilm und das ›Nummernprogramm‹ ausgerichtetes Filmgeschäft; die Vertriebspraxis geht vom Verkauf ganzer Programme zum Verleih einzelner Filme über. Zu den bezeichnenden Eigenschaften der zweiten Periode gehört der Übergang vom Ladenkino zum eigens errichteten ›Kino-Palast‹. Mit ihm einher geht die Einführung längerer, drei- bis fünfaktiger Filme (die noch immer von Kurzfilmen umrahmt sind) als neuer Programmnorm der Filmauswertung. Um 1910 begegnet man auch der Einführung neuer Vertriebs- und Marketingstrategien, die in kürzester Zeit dem gesellschaftlichen Raum und der Erfahrung ›Kino‹ eine bedeutsame neue Definition geben und ihnen eine Form verleihen sollten, die sie die folgenden Jahrzehnte bis in unsere Tage beibehalten haben.

Aus einer vergleichenden Perspektive das frühe deutsche Kino zu ›normalisieren‹ bedeutet somit zunächst, es zu ›internationalisieren‹, das heißt seine Entwicklungen vor einem Horizont zu sehen, der über das Nationale hinausgeht. Dies scheint um so mehr gerechtfertigt, als nicht zuletzt die legendäre FIAF-Tagung in Brighton 1978 sowie alle folgenden Retrospektiven des jährlich stattfindenden Festivals in Pordenone gezeigt haben, dass die Produktion und Aufführung von Filmen vor dem Ersten Weltkrieg ein durch und durch international organisiertes Geschäft gewesen ist, welches jede Vorstellung eines nationalen Kinos unsinnig erscheinen lässt, die nicht zugleich auch die Tendenzen in den großen Film produzierenden Ländern wie Frankreich, Dänemark, Italien und – natürlich – den USA zur Kenntnis nimmt.

Norm und Normalisierung

In diesem Sinne reflektiert der vorliegende Band einige der Grundannahmen einer jüngeren Richtung von Filmgeschichtsschreibung, die unter der Bezeichnung ›New Film History‹ bekannt geworden ist.6 Verkürzt gesagt, zwingen ihre Prinzipien zunächst einmal zu einer Betrachtung, wie das Kino als Industrie entstanden ist und sich entwickelte, worin die Beschaffenheit seines ›Produkts‹ oder seiner ›Dienstleistung‹ lag, wie Produktion, Vertrieb und Auswertung zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort organisiert waren und schließlich, welche anderen Formen populärer Unterhaltung auf ähnliche Weise mit überlieferten kulturellen Werten handelten und neue hervorbrachten. Diese ›Neue Filmgeschichtsschreibung‹ ist aber auch eine Art von kultureller Ethnographie, die danach fragt, auf welchen Wahrnehmungs- und Kognitionsweisen das Kino in seinen Anfängen basierte oder welche Reize es bei seinem Publikum stimulierte; welche anderen Medien in den Kampf des Kinos um sein Existenzrecht hineingezogen wurden und, daran anschließend, welche gesellschaftlichen Orte und Öffentlichkeiten das ›Ins-Kino-Gehen‹ zu verändern half.

Derartige Fragestellungen verlagern die Aufmerksamkeit auf Gebiete der Filmwissenschaft, in denen, Douglas Gomerys einprägsamer Formulierung zufolge, »die Sichtung von Filmen eine eher untaugliche Forschungsmethode ist«.7 Sie schärfen unsere Aufmerksamkeit für die Problematik der Bildkultur in der Moderne, aber auch für die Tatsache, dass frühe deutsche Filme das ungeschulte Auge nicht immer auf Anhieb zu verführen vermögen: Wo sie uns überraschen, wirken sie nicht immer zugleich auch bezaubernd (wie die frühen Pathé-Filme) oder verstörend (wie Jewgenij Bauers russische Filme); wo ihre Erzählmuster formelhaft sind, sind sie uns noch lange nicht vertraut (wie bei frühen amerikanischen Filmen); und wo die schauspielerische Darstellung nicht naturalistisch ist, lässt sie einen noch lange nicht in ihrer Extravaganz schwelgen (wie im Falle der frühen italienischen Diva-Filme). Zuweilen hat man das Gefühl, nicht länger über den kulturellen oder emotionalen Schlüssel zu verfügen, der einem ihren herben Charme erschließen würde. Natürlich gibt es hier auch Ausnahmen, etwa die Filme von Max Mack oder Franz Hofer (zwei Namen, die in mehreren Beiträgen dieses Bandes ausführlich Erwähnung finden), allerdings muss man bei Regisseuren stets vorsichtig sein, was als Norm und was als Ausnahme zu gelten hat.8 Gehören beispielsweise die Filme von Heinrich Bolten-Baeckers und Adolf Gärtner zur Norm und jene von Joseph Delmont und Charles Decroix zu den Ausnahmen, und in welche Kategorien fügen sich die Filme von Emil Albes, Emerich Hanus oder Walter Schmidthässler? Spielen Regisseure überhaupt eine Rolle in diesem Kino, in dem sie doch oft nicht einmal im Vorspann genannt werden? Wie repräsentativ für deutsche Frauen waren die Rollen von Henny Porten, die sich recht deutlich nicht nur von denen Asta Nielsens unterschieden, sondern auch von denen Dorrit Weixlers oder Wanda Treumanns, ganz zu schweigen von Lissy Nebuschka (bekannt als die ›deutsche Asta Nielsen‹) und Hanni Weisse oder den beiden von Ernst Lubitsch Mitte der 10er Jahre hervorgebrachten Stars Ossi Oswalda und Pola Negri?

Trotz des beträchtlichen Verlusts an Kopien hat glücklicherweise eine genügend hohe Anzahl von Filmen aus dieser Zeit überlebt, um solche Fragen nicht zu rein rhetorischen verkommen zu lassen. Selbst wenn es sich als wahr erweisen sollte, dass der überwiegende Teil der frühen deutschen Filmproduktion seinerzeit unbeholfen erschien oder sich auf dem einheimischen Markt nur schlecht verkaufte, so bleiben die Filme doch wertvolle Dokumente der Wurzeln des privaten und öffentlichen Freizeitverhaltens, während gedruckte Quellen wie Fach- und Branchenzeitschriften, Zeitungsartikel, Einladungskarten und Kinoplakate die populäre Anziehungskraft vieler deutscher Stars und Filmdarsteller bezeugen. Gerade auf diesen Gebieten lässt sich der unmittelbarste Einfluss der ›Neuen Filmgeschichtsschreibung‹ erwarten, vor allem, wenn man bedenkt, wie viele der jüngsten Forschungen zum frühen deutschen Kino ihre Existenz entweder Jubiläen oder kulturellen Prestigeprojekten auf lokaler und regionaler Basis verdanken.9

Aber auch diese ›Feldstudien‹ bedürfen der ›Normalisierung‹, hier verstanden als die Notwendigkeit, der Darstellung des deutschen Kinos eine historisch-kritische Grundlage zu schaffen, auf der eine gewisse Transparenz des methodischen Zugriffs sich auf verifizierbare Quellengrundlagen bezieht und seine filmischen und schriftlichen Quellen der Überprüfbarkeit aussetzt. Zwei exemplarische Studien, beide das Ergebnis jahrelanger, skrupulöser Archivrecherchen, haben in dieser Hinsicht den Weg bereitet und Problematiken bewusst gemacht, die sich jedem Historiker des frühen deutschen Kinos stellen. Beide bekennen sich ausdrücklich zur ›New Film History‹ und erkennen deutlich die Notwendigkeit, unsere Herangehensweise an das frühe deutsche Kino radikal zu überdenken. Und doch könnten ihre Schlussfolgerungen kaum unterschiedlicher sein.

Obwohl keine der beiden Studien dieses Kino als Vorgeschichte betrachtet, erkennt eine davon in ihm eine Art Gegen-Geschichte und zeichnet den Kontrast zwischen dem Wilhelminischen Kino und dem Weimarer Kino so scharf wie möglich – ein Kontrast, der angeblich auf durchgreifende strukturelle Veränderungen in der vom Kino erzeugten Öffentlichkeit zurückzuführen ist.10 Ausgehend von einer Neuinterpretation kanonischer Filme und einer sorgfältigen Rekonstruktion der zeitgenössischen Debatten über Rezeption und Publikum des frühen deutschen Kinos, gelingt es Heide Schlüpmann, dieses Kino fremd, andersartig und doch vertraut erscheinen zu lassen, weshalb auch der Titel ihres Buches, Unheimlichkeit des Blicks, so überaus treffend erscheint.11 Vom Standpunkt eines Weimarer Kinos aus betrachtet, das als ›patriarchal‹ und von ›männlicher Potenz‹ besessen gekennzeichnet wird, erscheint das Wilhelminische Kino Schlüpmann als so etwas wie der Zufluchtsort einer anderen Konzeption von Körper- und Weiblichkeit, wodurch insbesondere den Zuschauerinnen eine neue Form der Schaulust vermittelt werden konnte.12 Was Schlüpmanns Arbeit mit der ›New Film History‹ verbindet, ist der Umstand, dass Unheimlichkeit des Blicks keine positivistisch-archivalische Geschichte ist, sondern eine von theoretischen Konzepten geleitete – vor allem von der zuerst von Tom Gunning formulierten Unterscheidung zwischen einem ›Kino der Attraktionen‹ und einem (klassischen) ›Kino der narrativen Integration‹, die Schlüpmann als symptomatisch für die deutsche Filmgeschichte annimmt und sowohl geschlechtsspezifisch problematisiert als auch in diesem Zusammenhang historisch periodisiert.

Wie verschieden der von Corinna Müller gewählte Ausgangspunkt ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass ihr Buch auf einzelne Filme überhaupt nicht eingeht, an allen filmtheoretischen Konzepten vorbei seinen Kurs hält und gerade jene für Schlüpmann so zentrale Unterscheidung zwischen Attraktion und narrativer Integration kritisch in Frage stellt. Müller beginnt mit der Frage, weshalb sich in Deutschland – trotz des überdurchschnittlich hohen Interesses an lebenden Bildern und eines potenziell großen Marktes – vor Ende des Ersten Weltkriegs anscheinend keine prosperierende Filmproduktion entwickelt hat. Die traditionelle Antwort lautet, dass das deutsche Bürgertum kulturelle Vorbehalte gegenüber dem Kino hegte, das Industrie- und Finanzkapital an der Dauerhaftigkeit des Mediums zweifelte und Investitionen ablehnte – eine klassische ›retrospektive Teleologie‹, wenn auch diesmal ökonomischer und nicht ideologischer Natur.

Obwohl es sich bei Müllers Frühe deutsche Kinematographie eher um eine Fallstudie als um eine umfassende Geschichtsdarstellung handelt, leistet sie doch einer grundlegenden Neubetrachtung der Frühgeschichte Vorschub, allein durch ihre überzeugende Beweisführung, dass sich das deutsche Kino vor dem Ersten Weltkrieg, gemessen an internationalen Standards, durchaus ›normal‹ verhielt.13 Um diesen Beweis zu führen, zieht Müller Informationen heran, die in regionalen und lokalen Studien über Kinobetreiber und Abspielstätten, Filmprogramme, Zeitungsannoncen und Eintrittspreise gesammelt waren, und macht so innerhalb eines vergleichenden Kontexts einen kausalen Zusammenhang sichtbar, anhand dessen sich plausiblere, weil immanente und strukturelle Gründe dafür anführen lassen, warum die deutsche Filmproduktion nicht eine ähnliche Entwicklung genommen hat wie die in Dänemark oder Frankreich.

Weit davon entfernt, anarchistisch, stümperhaft oder dilettantisch gewesen zu sein, folgte das frühe deutsche Filmgeschäft ganz bestimmten Mustern und Organisationsprinzipien – nämlich denen des Varietés. Besonders zwei für das Varieté typische Prinzipien — die Programmierungspolitik und die interne Struktur der Programme - überlebten die Varieté-Show als dominante Form des Massenunterhaltung, indem sie einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung der ortsfesten Kinotheater in Deutschland ausübten. Anders gesagt: Das deutsche Filmgeschäft entwickelte sich (ebenso wie das amerikanische oder britische) als eine vom Aufführungssektor her gesteuerte Industrie, deren Ware oder Produkt das auf dem Kurzfilm basierende Nummernprogramm war, dessen ›redaktionelle‹ (aber auch ökonomische) Kontrolle weitgehend in den Händen der Kinobetreiber lag. Der brutale Wettbewerb unter den Kinos innerhalb dieser auswertungsgeleiteten Industrie verbrauchte Unmengen an Filmmetern und entwertete die Filme so schnell, dass die Gewinnspannen für einheimische Produzenten praktisch wegfielen und die Branche billige ausländische (vor allem französische) Importe verschlang. Erst als dieser Teufelskreis gebrochen und Profitabilität durch ein neues Vertriebssystem wiederhergestellt werden konnte, kam die deutsche Filmproduktion erneut auf die Beine und behauptete sich – noch vor dem Ersten Weltkrieg und dessen politisch motivierten Einfuhrverboten – durchaus beachtlich auf dem Markt.

Eine Reihe neuer Forschungsansätze lässt sich von einer solchen Argumentation ableiten, sowohl national – auf dem Sektor der Aufführungspraxis, dem Einfluss des Varietés und dessen Nummern-Prinzips mit seiner eigenen ästhetischen Form und erzählerischen Kohärenz14 – als auch international: Wie hat sich konkret das Machtgleichgewicht auf dem deutschen Markt vom Aufführungssektor hin zu Vertrieb und Produktion verschoben, als die Filme nach dem Pathé-Prinzip zu zirkulieren begannen, das als erstes künstliche Zugangsverknappung einführte und die Betonung auf den ›Neuigkeitswert‹ legte? Bis heute kennzeichnet dieselbe Manipulation von Zeit- und Standortvorteil die Logik der Kinoketten und die Praxis des Erstaufführungsrechts. Solche Ergebnisse legen aber auch nahe, die Anfänge des deutschen Kinos klarer in verschiedene Phasen zu unterteilen, deren erste den so genannten ›Pionieren‹ (und deren unterschiedlichen Definitionen der Verwendungsmöglichkeiten des Films) gehört, während im Zentrum der folgenden die Etablierung eines (nationalen und internationalen) ›Marktes‹ und eines standardisierten Produkts steht, das wiederum keine Verwendung definiert, sondern eine Erfahrung, die sich selbst wieder nach verschiedenen Genres, Stars, Publikumsschichten und Aufführungsstätten differenziert. Im Folgenden soll ein Überblick über einige der Konsequenzen einer solchen Periodisierung gegeben werden.

Die Anfänge bis 1907: Schausteller und Pioniere

Obwohl es natürlich auf den ersten Blick abwegig erscheint zu behaupten, dass das Kino nicht in Frankreich erfunden wurde, so ist es doch eine Tatsache, dass Max und Emil Skladanowsky am 1. November 1895 im Berliner Wintergarten einem zahlenden Publikum bewegte Bilder auf die Leinwand projizierten – also fast zwei Monate vor der Vorführung der Brüder Lumiere im Salon Indien des Grand Cafe in Paris. Max Skladanowsky, ein typischer Jahrmarktsvorführer und Schausteller, begann seine Experimente mit der ›lebenden Fotografie‹ um 1887. Ab 1892 konstruierte er in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Emil einen neuartigen, wenn auch wenig eleganten Doppelprojektor, den er sich 1895 unter der Bezeichnung ›Bioskop‹ patentieren ließ. Das Bioskop, das mit einer Geschwindigkeit von 16 Bildern pro Sekunde zwei identische Filmstreifen simultan projizierte, wobei eine rotierende Blende abwechselnd ein Bild auf jedem Projektor abdeckte, erwies sich als eine technisch unzureichende, trotzdem äußerst populäre Variete-Attraktion.15

Selbst noch so nationalistisch eingestellte Historiker müssen allerdings zugeben, dass es der Kinematograph der Brüder Lumière war, der die lebenden Bilder nach Deutschland brachte und ihren Erfolg beim Publikum sicherte. Der Schokoladenhersteller Ludwig Stollwerck zeigte ein frühes Interesse an der kommerziellen Ausbeutung von Lumieres Erfindung in Deutschland. Er korrespondierte auch mit dem englischen Ingenieur R. W. Paul, der mit Erfolg Edisons Kinetoskop kopiert hatte. Von Stollwerck stammen darüber hinaus wichtige Augenzeugenberichte über die Verbreitung des Films in Deutschland, die wegen ihrer Lebhaftigkeit und scharfsinnigen Einsichten einzigartig sind.16 Die Vorführer der Lumieres tourten ab 1896 durch Deutschland, und in ihrem Sog verlegte sich eine ganze Anzahl von Schaustellern auf das Geschäft mit Zelt- und Wanderkinos, wodurch der Kinematograph auch in Nachbarländern wie Belgien oder Holland bekannt wurde.17 Sie gründeten damit einen erfolgreichen Geschäftszweig, der bis weit ins erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts überdauerte.

Die eigentliche Konkurrenz erhielt der Projektor der Lumieres in Deutschland allerdings von den Apparaturen Oskar Messters, des ersten universellen Filmgenies des Wilhelminischen Kinos.18 Er allein vereinigte für eine kurze Zeit alle Funktionen, die gewöhnlich – einer rigiden Arbeitsteilung folgend – auseinander gehalten wurden: Erfinder eines (gegenüber dem der Skladanowskys) verbesserten Projektors, Hersteller von Film- und Foto-Ausrüstungen, Direktor einer Filmproduktionsfirma, Produzent und Regisseur so genannter ›Tonbilder‹ (mit synchroner Grammofonbegleitung), fiktiver Szenen und Aktualitäten (er war einer der Pioniere der Wochenschau), Verleiher und sogar Kinobetreiber.19 Da Messters Karriere die gesamte Periode des frühen Kinos hindurch andauerte, bevor er seine Firmen schließlich an das Ufa-Konsortium verkaufte, ist er in vielerlei Hinsicht eine emblematische Figur: Gründungsvater, Identifikationsfigur und das ›Gesicht‹ einer zunehmend anonymer und nach etablierten Geschäftspraktiken funktionierenden Industrie. Als Filmemacher und Produzent deckte Messter das ganze Spektrum populärer Filmthemen und -genres ab: Ansichten und Aktualitäten, Detektivfilme und soziale Dramen, Familienmelodramen und historische Epen, romantische Komödien, Opern- und Operettenverfilmungen. Er half auch entscheidend dabei, ein deutsches Starsystem zu etablieren, sollte doch von den bei ihm unter Vertrag stehenden Schauspielern eine ganze Reihe bald zu den führenden Namen des deutschen Stummfilms werden: allen voran Henny Porten, aber auch Lil Dagover, Emil Jannings, Harry Liedtke, Harry Piel, Reinhold Schünzel oder Conrad Veidt. Mehr als jeder andere definierte Messter die zukünftige Form des kommerziellen deutschen Kinos, und die Titel seiner Kataloge allein vermitteln einen Eindruck von den Reizen und Lüsten, die das Kino seinem Publikum durch Unterhaltung, Schauwerte, Sensationen und Sentimentalitäten offerierte. Die Stoffe seiner Verfilmungen waren ganz bewusst nicht allzu anspruchsvoll gewählt: Bestseller vom aufblühenden belletristischen Massenmarkt oder Populäres aus den angrenzenden Unterhaltungsmedien wie Operetten, Volkstheaterstücke, Variete-Einlagen, Solodarbietungen von Schlagern, die dem Publikum durch Grammofon- Platten und Notenauszüge vertraut waren.

Messters fast schon mythisches Bild vom Erfinder-Ingenieur-Unternehmer darf jedoch nicht eine Eigenschaft verdecken, die ihn von seinen Nachfolgern unterschied: Für ihn war die Herstellung von Filmen zur öffentlichen Vorführung nur ein Aspekt jener Erfindung, die wir das Kino nennen. Betrachtet man einmal all diejenigen, die um die Ehre, das Kino in Deutschland erfunden beziehungsweise revolutionär vorangetrieben zu haben, rivalisierten – Messter und Skladanowsky, Alfred Duskes und Paul Davidson –, so ist die Trennlinie weniger zwischen Dokumentarfilm und Fiktion zu ziehen, ja nicht einmal zwischen wissenschaftlich-analytischen Anwendungen der kinematographischen Apparatur und illusionistisch-synthetischen.20 Sie verläuft vielmehr entlang der jeweiligen konzeptionellen Vorstellung von der gesellschaftlichen Relevanz der Apparatur an sich. Die Brüder Skladanowsky waren Erfinder und Schausteller, die sich auf der Suche nach einer publikumswirksamen Neuheit für den Kinematographen und nicht für das Röntgengerät entschieden. Blieben ihre Bemühungen auf die Ausbeutung des Kinos als Unterhaltungsmedium gerichtet, so wurden Messters Bemühungen vom Denken eines Erfinder-Ingenieurs geleitet. Er war nicht damit zufrieden, ein zahlendes Publikum in seine Vorführungen zu locken, er schrieb an Schulen, pensionierte Armee-Offiziere und hohe Staatsbeamte und schlug ihnen einen ganzen Strauß von Anwendungsmöglichkeiten des Kinematographen vor, einschließlich wissenschaftlicher, militärischer, pädagogischer, administrativer und kriminalistischer.21 Der andere wichtige Aspekt von Messters Denken war unternehmerischer Natur: Im Unterschied zu den Skladanowskys monopolisierte und integrierte er die verschiedenen Stadien des gesamten kinematographischen Prozesses, baute seine eigenen Projektoren und Kameras, machte die Filme selbst und besorgte deren Vertrieb und Aufführung – ganz im Sinne der Lumieres in Frankreich. Wie ihnen war Messter bereits sehr früh klar geworden, dass der entscheidende Aspekt des Kinos darin liegt, Kontrolle über alle mit ihm verbundenen Technologien und Praktiken zu erlangen und aufrechtzuerhalten.

Die Modernität seiner Strategien ist der Kern von Messters Bedeutung für die Entwicklung des deutschen Kinos. Stil, Genre oder Thematik waren für ihn, zumindest im ersten Jahrzehnt, eine Frage der verschiedenen Verwertungszusammenhänge, die der Erfindung zugeschrieben werden konnten: mit anderen Worten, ein Modus operandi, der die Bestandteile des Kinos – Technik, Filme, Nutzer – so aneinander koppelte, dass die Filme ihren Tauschwert erst als Folge ihrer verschiedenen Nutzwerte erhielten und nicht umgekehrt, wie im zweiten Jahrzehnt, als der feste Nutzwert der ›Unterhaltung‹ demographisch und kulturell durch Exklusivität der Erstaufführung (Zugangsbeschränkung) und durch den Erlebniswert des langen Spielfilms aufgewertet und so auf die Bedürfnisse einer zahlungskräftigeren mittelständischen Öffentlichkeit zugeschnitten wurde. Messter passte sich auch dieser zweiten Phase an, vielleicht weil er es verstand, gerade jene integrative Kapazität des Kinos auszubauen, Dienstleistungen für verschiedene Nutzer mit der Belieferung eines einzigen Marktes zu verbinden. Dies unterscheidet ihn nicht nur vom wissenschaftlichem Strang, für den der Kinematograph ein Präzisionsinstrument war (zum Beispiel Etienne-Jules Marey), sondern auch von jenen, die scheinbar von einer (schauer-) romantischen, männlichen Obsession ergriffen waren und, wie Frankenstein, die Essenz des Lebens künstlich-mechanisch neu erschaffen wollten. Noel Burch hat diese Tendenz bei Thomas Edison identifiziert,22 sie lässt sich aber auch in der bis heute wirkungsmächtigsten Vorstellung vom deutschen Kino feststellen, dessen Bild sich aus den bekannten Homunculi und verrückten Wissenschaftlern, aus Dr. Caligari und seinem Medium Cesare, aus Dr. Mabuse und dem Golem, aus Nosferatu und seinen vampiristischen Adepten, aus Rotwang und seinem Roboter in METROPOLIS zusammensetzt. Und doch nahm Messter, der Erfinder, der Ingenieur von optischen Präzisionsinstrumenten, in gewisser Weise an der Formation einer Fantasie teil, die weit über das wissenschaftliche Begehren, schärfer zu sehen, den Blick zu intensivieren und das aufzuspüren, was normalerweise dem menschlichen Auge entgeht, hinausführte. Am Horizont von Messters Bonhomie und seinem Fabrikbesitzer-Stolz zeichnen sich die Junggesellen-Maschinen ab, die Villiers de Elle-Adam in seinem berühmten Edison-Roman L‘Eve future beschrieben hat und in denen die kombinierte Alchimie von optischen, elektrischen und chemischen Substanzen tatsächlich so etwas wie ein neues Lebenselixier ergibt.

Schließlich markiert Messters Einfallsreichtum hinsichtlich neuer Verwendungen des kinematographischen Apparats — von denen Aufführungen zur öffentlichen Unterhaltung nur eine war – eine mögliche Grenze des ›Kinos der Attraktionen‹ Legt der Begriff doch nahe, dass sich an einen einzigen Verwendungszweck, den der Zerstreuung, eine Vielfalt von ›Anwendungen‹ – im eigentlichen Sinne – knüpfen lässt, deren andere Geschichten, wie uns im Zeitalter der intelligenten Bomben, mikro-chirurgischen Eingriffe und Überwachungskameras bewusst wird, nur zeitweise untergetaucht sind, während das Unterhaltungskino mit dem Spielfilm im Zentrum zum öffentlich am deutlichsten sichtbaren Antlitz dieser Anwendungen werden konnte. Gleichzeitig lenkt der Begriff des ›Kinos der Attraktionen‹ unseren Blick einmal mehr von Produktionsstätten und Filmemachern auf die Aufführungsorte und Zuschauergruppen.

Das Programm, nicht der Film

Eine Kinovorführung um 1907 war noch immer stark nach dem Vorbild der in Deutschland hoch entwickelten Varieté-Kultur ausgerichtet, mit dem ihr eigenen Ablauf von Attraktionen, die von Gags und komischen Sketchen über sentimentale Duos, akrobatische Einlagen und Zaubertricks bis hin zu Tänzen, Revuenummern und Solodarbietungen bekannter Stücke, Operetten und Opern reichen konnten.23 Die Mehrzahl der überlieferten Filme aus den Jahren 1896 bis 1906 weist dieses Muster auf. Max Skladanowskys Ansichten von Berlin von 1897 (DIE WACHE TRITT ANS GEWEHR), die komischen Nummern (BROTHERS MILTON KOMISCHES RECK) oder die sehr sorgsam inszenierten Straßenszenen (EINE KLEINE SZENE AUS DEM STRASSENLEBEN IN STOCKHOLM), in denen sich allzu viel Komisches oder vermeintlich Gefährliches abspielt als durch einmaliges Sehen wahrgenommen werden könnte, bestätigen alle, dass diese Filme mit einem fest umrissenen Unterhaltungspublikum im Visier gemacht wurden. Thematik und Format wurden von dem doppelten Medienintertext des Varieté- und Musiktheaters oder gar dem Aufführungskontext von Jahrmarkt und Zirkus bestimmt (vgl. Abb. 1). In vielen dieser ›Genres‹ waren Pathé und Gaumont die unbestrittenen Weltmarktführer. Aber auch Messter hatte verschiedene Nummern in der Produktion, musikalische Vorspiele, Aktualitäten, komische Einlagen, dramatische Sketche, ›derb-komische‹ Slapsticks und sentimentale Rührstücke.24 Er stellte sogar verschiedene Versionen her: Man konnte einen ›artistischen‹ TANZ DER SALOMÉ kaufen, ein spezielles Publikum aber auch eine ›pikante‹ Version.25 Ganz vorne lag Messters Firma auf dem Gebiet der Tonbilder, die in Deutschland und Österreich populärer waren als im übrigen Europa und von Kinobetreibern weitaus höhere Investitionen in technische Apparaturen und deren Bedienung verlangten. Zu jener Zeit erwartete das Publikum vom Kinospektakel, dass es diskontinuierlich und gemischt sei:

Der Saal wird dunkel. Und wir sehn die Schnellen
Der Ganga, Palmen, Tempel auch des Brahma,
Ein lautlos tobendes Familiendrama
Mit Lebemännern dann und Maskenbällen.

Man zückt Revolver, Eifersucht wird rege,
Herr Piefke duelliert sich ohne Kopf.
Dann zeigt man uns mit Kiepe und mit Kropf
Die Älperin auf mächtig steilem Wege.

Es zieht ihr Pfad sich bald durch Lärchenwälder,
Bald krümmt er sich und dräuend steigt die schiefe
Felswand empor. Die Aussicht in der Tiefe
Beleben Kühe und Kartoffelfelder.

Und in den dunklen Raum – mir ins Gesicht –
Flirrt das hinein, entsetzlich! nach der Reihe!
Die Bogenlampe zischt zum Schluß nach Licht –
Wir schieben geil und gähnend uns ins Freie.26

[Bild 1: Abb. 1: Zeitungsinserate aus dem Jahre 1897. Ankündigungen von Filmvorführungen im Rahmen von Varieté-Vorstellungen im Wintergarten (Messters »Biograph«) und im Herrnfeld-Theater (»Lebende Photographien«). Die zukünftigen Filmstoffe ›Endlich allein!‹ und ›Robert und Bertram‹ deuten voraus auf das Unterhaltungstheater als zentrales Referenzmediums des Films. Sowohl das Metropol- als auch das Apollo-Theater wurden bald darauf zu Kinos umfunktioniert.]

Diese schnellen Wechsel von Geschichten und Szenen – in einem Programm, das aus acht bis zehn verschiedenen Nummern bestand, keine länger als drei Minuten – sind typisch für das Kino in seiner Varieté-Phase. Angesichts der zahllosen Berichte über die typische Filmvorführung, zumeist verfasst von Schriftstellern und Intellektuellen, bekommt man den Eindruck einer chaotischen, unordentlichen, kopflosen Aneinanderreihung unzusammenhängender Bruchstücke:

Einfach wie die reflexartige Lust ist der auslösende Reiz: Kriminalaffären mit einem Dutzend Leichen, grauenvolle Verbrecherjagden drängen einander; dann faustdicke Sentimentalitäten: der blinde sterbende Bettler und der Hund, der auf seinem Grabe verreckt; ein Stück mit dem Titel: »Achtet die Armen« oder die »Krabbenfängerin«; Kriegsschiffe; beim Anblick des Kaisers und der Armee kein Patriotismus; ein gehässiges Staunen.27

Dass nur wenige dieser Filme überliefert sind, verstärkt noch den Eindruck sorgloser Inkonsequenz. Ein Blick in die Fachzeitschriften und nüchternen zeitgenössischen Filmkritiken beweist, dass die Kinobetreiber eine sehr ausgeprägte Vorstellung davon hatten, wie die Filme zu einem Programm zusammenzustellen seien – mit einer eigenen dramatischen Form, geplanten Übergängen, in sich geschlossen und damit nicht weniger kohärent als das Varieté-Programm, das es ersetzte (Abb. 2). Die episodische und fragmentarische Natur der Vorführung wurde durch die Anwesenheit eines ›Erklärers‹ teils verstärkt, teils überbrückt. Oft gab er seinen fortlaufenden Kommentar zum Geschehen auf der Leinwand ab, wobei er manchmal die Handlung erläuterte, weitaus häufiger sich jedoch über sie lustig machte und selber kleinere Einlagen improvisierte. Er war nicht nur das Bindeglied zwischen den disparaten Segmenten, er war auch der Filter, der Rahmen und die – mobile und wechselhafte – Perspektive, die dem Publikum die Erfahrung des Dargebotenen vermittelten. Die Macht des Wortes (im Gegensatz zur Musik) war hier von entscheidender Bedeutung, da die ironische Distanz des Erklärers zum Geschehen auf der Leinwand es ihm gestattete, mit Feindseligkeit oder Scherzhaftigkeit auf Figuren wie den von Alfred Döblin (1909!) erwähnten Kaiser Wilhelm II. zu reagieren – ›Deutschlands erstem Filmstar‹,28 dessen (ver)doppelter Status als Ikone Berthold Viertel ein Jahr später und, daran anschließend, Klaus Kreimeier in diesem Band Anlass zu eingehenden Reflexionen über die Wechselwirkungen zwischen staatlicher Repräsentanz und filmischer Repräsentation im Kino gibt (vgl. Abb. 3).

[Bild 2: Abb. 2: Zwei typische Variete- und Kinoprogramme der Jahrhundertwende]

Die ironische Distanz des Kinoerzählers zum repräsentierten Staatsoberhaupt lässt sich aber auch in Beziehung setzen zu Egon Friedells Bemerkung, das Kino wäre »ein charakteristischer Ausdruck unserer Zeit (...) kurz, rapid, gleichsam [militärisch] chiffriert«.29 Und sie lässt sich kontrastieren mit der von Filmhistorikern wie Friedrich von Zglinicki geäußerten Vermutung, die staatlichen Stellen hätten versucht, den Erklärer abzuschaffen, da sie ihn im Verdacht gehabt hätten, Klassenhass zu schüren – eine Anschuldigung, die von rechtsgerichteter Stelle erhoben wurde, die aber ein merkwürdiges Echo in den Einwänden der linken Kinoreformer fand:

Der Kapitalist machts Geschäft, die Ausgebeuteten sind nicht nur die schlecht besoldeten Operateure, Klavierspieler, Erklärer usw.; ausgebeutet wird in erster Linie das Publikum, die Masse, deren Schaulust, Sensationslüsternheit und Empfänglichkeit für erotische Stimulantia der Kientopp-Unternehmer spekulativ in Rechnung stellt, und auf deren kontinuierliche Steigerung er deswegen eifrig bedacht ist. (...) Die Tendenz ihres Strebens ist konträr den Aufgaben und Zielen aller Volksbildungs- und anderen Kulturbewegungen.30

[Bild 3: Abb. 3: Wilhelminische Moderne – Der Kaiser als Medienstar]

Hieran lässt sich erkennen, dass ein solches Programm keine ›nationale Identität‹ oder nationalistische Ideologie widerspiegelt. Eher stellte es die internationalste Phase des Kinos dar, wie es auch die Sichtung einer Filmauswahl aus verschiedenen Ländern — bei Festivals wie dem von Pordenone – nahe legt, wo ein hoher Grad an Homogenität, vielleicht nicht hinsichtlich der (sehr unterschiedlichen) Qualität, aber eben in den Genrezugehörigkeiten und Erzählmustern, schnell (wieder)herstellt, was ein Gefühl angenehmer Vertrautheit gewesen sein muss. Jenseits individuellen Talents und nationaler Eigenheit weist dies auf den Druck hin, der von einem klar definierten und stabilen Kanon von Zuschauererwartungen auf die Filmemacher ausgeübt wurde. Angesichts der zitierten Kommentare versteht man aber auch, weshalb dieses Kino trotzdem ein ideologischen Kampfplatz war, auch wenn die politischen Frontverläufe kaum einmal eindeutig auszumachen sind. Seine leichte Zugänglichkeit, sein polizeilich kaum regulierter übernationaler Handel und seine quasi universelle Popularität machten aus dem Kino einen natürlichen Schmelztiegel für gute Absichten und paranoide Fantasien von Reformern, Lehrern, Politikern, Gewerkschaftern und Sozialarbeitern. Die wertvolleren, wenn auch zumeist farbloseren, Informationen über die Kinogewohnheiten bis 1910 stammen daher im Allgemeinen nicht von Schriftstellern oder Dichtern, sondern von Kinoreformern, deren Aussagen man nur etwas gegen den Strich lesen muss, um aus erster Hand brauchbare Auskünfte über die Zusammensetzung des Publikums, Programminhalte und -abläufe sowie die — oft mehr als verwahrlosten — Zustände in den Kinos zu erhalten. Von den weitaus anschaulicheren Berichten wäre eine weitere Passage von Alfred Döblin über die Ansiedlung der so genannten Ladenkinos in Arbeitervierteln vor 1910 zu zitieren:

Im Norden, Süden, Osten, Westen der Stadt liegen sie; in verräucherten Stuben, Ställen, unbrauchbaren Läden; in großen Sälen, weiten Theatern. (...) Erst die kaschemmenartigen im Norden haben aber ihr besonderes Genre, sind weit über dem Niveau des bloß Künstlerischen. (...) Drin in dem stockdunklen, niedrigen Raum glänzt ein mannshohes Leinwandviereck über ein Monstrum von Publikum, über eine Masse, welche dieses weiße Auge mit seinem stieren Blick zusammenbannt. In den Ecken drücken sich Pärchen und lassen entrückt mit den unzüchtigen Fingern von einander. Phthisische Kinder atmen flach und schütteln sich leise in ihrem Abendfieber; den übelriechenden Arbeitern treten die Augen fast aus den Höhlen; die Frauen mit den muffigen Kleidern, die bemalten Straßendirnen beugen sich vornüber und vergessen ihr Kopftuch hochzuziehen.31

Döblins einprägsame Schilderung gesteht unausgesprochen ein, dass diese Sorte von Kinotheatern 1909 bereits exotisch geworden ist, was wiederum darauf verweist, dass letztlich der Filmproduktion die ›Produktion‹ eines Publikums vorauszugehen hatte. Das Varieté-Format, aber auch das weite Spektrum der Eintrittspreise (von 30 Pfennig bis 3 Mark) deuten darauf hin, dass das frühe Kino — im Gegensatz zu oft anders lautenden Behauptungen von Filmhistorikern — keineswegs nur auf die Arbeiterklasse abzielte, sondern demographisch breite Zuschauergruppen ansprach und zu seinen Besuchern Männer, Frauen und Kinder zählte; wobei schon damals junge Männer die Mehrheit der Kinogänger zu stellen schienen, obwohl auch Döblin deutlich unterscheidet zwischen ›verirrten Jungen‹, die zwischen zwei Gelegenheitsjobs ihre Zeit totschlagen, und ›jungen Männern aus den Volksschulen‹ die auf eine sexuelle Eroberung hoffen.32

Auf ganz ähnliche Weise hat die Soziologin Emilie Altenloh einige Jahre später (1913) darauf hingewiesen, dass das frühe deutsche Kino sich besonders seiner weiblichen Zuschauerschaft bewusst war und einer regelrechten ›Kino-Sucht‹ nicht nur durch geschlechtsspezifische Genres wie dem Melodrama und dem sozialen Drama Vorschub leistete, sondern auch durch Filmkomödien, in denen Frauen die Freiheit besaßen, in ›Hosenrollen‹ neue sexuelle Identitäten für sich zu erfinden oder, als Detektivinnen, visuellen und körperlichen Zugang zu gesellschaftlichen Räumen und somit zu Erfahrungen zu erhalten, die verheirateten wie unverheirateten Frauen normalerweise unerreichbar waren.33 Derartige Beobachtungen einer geschlechtsspezifischen Genreausrichtung bilden den Ausgangspunkt für analytische und methodische Differenzierungen, wie sie in diesem Band von Heide Schlüpmann und ihrer – mittlerweile selbst zum ›Klassiker‹ avancierten – Unterscheidung zwischen Melodrama und sozialem Drama vorgenommen werden.

Stars und Genres

Der Übergang von der ersten zur zweiten Phase wird entscheidend von der Tatsache geprägt, dass die bis 1905 exponentiell wachsende Nachfrage sich tatsächlich in den Jahren 1906/07 stabilisiert und tendenziell sogar nachgelassen hatte. In der Fachpresse wurde von einer tief greifenden Krise gesprochen, zahlreiche Kinos mussten schließen und viele Kommentatoren sagten mit unverhohlener Häme den ultimativen Untergang dieses ›Fünf-Tage-Wunders‹ voraus, dessen die breite Öffentlichkeit bereits müde zu werden beginne. Was sich jedoch wirklich vollzog, war eine strukturelle Umstellung, so dass man zu einem genaueren Verständnis der Krise um 1907 – und der strukturellen Veränderungen, die sie bannten – sich tatsächlich zunächst von den Filmen entschieden abwenden, andererseits aber auch von der Vermutung verabschieden muss, die Gründe lägen in dem fehlenden Interesse von kapitalstarken Finanziers oder dem fehlenden Talent in den Reihen der Produktionsfirmen. Wie schon angedeutet, muss man die Aufmerksamkeit hier auf die Vertriebs- und Präsentationsformen der Film(programm)e richten. Die Entstehung eines nationalen Kinos ist in erster Linie eine Frage der Institutionalisierung des Kinobesuchs, ein Prozess, bei dem die Filmproduktion nur jenen Teil ausmacht, der sicherzustellen hat, dass Zuschauer nicht nur gelegentlich diesen oder jenen Film sehen, sondern Woche für Woche in die Kinos zurückkehren.

In Deutschland – wie auch anderswo – ist die zweite Phase also von einer neuen Generation von Film- und Kinounternehmern gekennzeichnet, die wusste, wie ein Publikum durch das Einrichten besserer Kinos an eleganteren Standorten ›aufzubauen‹ ist. Wenn das erste Jahrzehnt im Zeichen Oskar Messters stand, gehörte das zweite Unternehmern wie Paul Davidson und David Oliver, die in das Filmgeschäft vom Aufführungssektor her einstiegen, bevor sie zu Produktion und Vertrieb übergingen und dabei zu Experten sowohl der lokalen Gegebenheiten (was ›wollen‹ die Kunden in Frankfurt, Breslau, Hamburg oder Dresden?) als auch der globalen Verhältnisse wurden (wo findet man auf dem internationalen Markt, was diese Kunden verlangen? – Davidson bei Pathé, Oliver bei der Nordisk).34

Erst als sich die Vertriebspraxis des Monopolfilms – die ›Lösung‹ der Krise und der ›Motor‹ der Umstrukturierung des Aufführungssektors durch die wirtschaftliche Eliminierung kleinerer Kinobetreiber – als Norm durchgesetzt hatte, begann der Produktionszweig wieder profitabel zu arbeiten, nicht selten übrigens in den Händen von Kinobesitzern wie Davidson und Oliver, Ludwig Gottschalk und Martin Dentler. Dank ihres Geldes und ihrer Kaufkraft erlebte die Filmbranche in den Jahren zwischen 1911 und 1913 eine außerordentliche Expansion des Produktionszweiges und unternahm das Experiment mit dem ›programmfüllenden‹ Spielfilm, dem das deutsche Kino seine erste Blüte des narrativen Star- und Genrekinos verdankt.35 Das lange Erzählformat half bei der Erstellung eines neuen Produktionsprofils, das den berühmten ›Autorenfilm‹ ebenso einschloss wie Paul Wegeners halb-ironische schauerromantische Märchenfilme,36 und es verhalf Asta Nielsen zu ihrem wohlverdienten nationalen wie internationalen Ruhm.

Asta Nielsen, deren magnetische Anziehungskraft viel zur Etablierung des Monopolfilms als der dominanten Geschäftspraxis und des Stars als dessen sichtbarster Verkörperung beigetragen hat, kommt an diesem Punkt besondere Bedeutung zu. Wir wussten schon immer, dass Asta Nielsen im frühen deutschen Kino eine zentrale Rolle spielte, erst jetzt aber lässt sich erkennen, dass die Logik, die sie in den Vordergrund rückte, tatsächlich nahezu umgekehrt zur traditionellen Sichtweise funktionierte, die in den Asta-Nielsen- Filmen den Durchbruch zur Filmkunst erkannte, mit dem sich das Kino endlich von seinen kommerziellen Zwängen befreit habe.37 Vielmehr war gerade der kommerzielle Imperativ entscheidend. Um der herrschenden Überproduktion und dem Verfall von Preisen und Profiten Einhalt zu gebieten, mussten die einzelnen Filme durch die Vergabe von Aufführungsmonopolen und die künstliche Verknappung ihrer Verfügbarkeit aufgewertet werden. Das Resultat war der Monopolfilm, die Voraussetzung dafür, dass eine Schauspielerin wie Asta Nielsen zu derartigem Ruhm gelangen konnte. Dass der Präsentations-Mehrwert, den Asta Nielsen dem Filmprodukt verlieh, nicht nur in der künstlerischen Ambition ihrer Filme, sondern auch in deren universeller Anziehungskraft begründet lag – eine Konstellation, die von Janet Bergstrom in diesem Band detailliert nachgezeichnet wird –, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass einer der ersten erfolgreich verliehenen Monopolfilme von Davidsons Projektions-AG ›Union‹ (PAGU), Nielsens zukünftigem Arbeitgeber, nicht etwa ein dramatischer Film war, sondern eine Aufzeichnung des Weltmeisterschafts-Boxkampfs Johnson gegen Jeffries vom Juli 1910 in Reno, USA. Ganz wie in den USA resultierte die Konsolidierung der neuen Ware ›Kino‹ in Deutschland aus einer Kombination von längeren Filmen, Zugangsbeschränkungen, Veränderungen der Programmpolitik und der systematischen Erhebung von Schauspielern zu ›Stars‹.

Diese Verschiebung der Aufmerksamkeit rückt besonders eine Eigenschaft in den Vordergrund: die Verbindung zwischen dem Kino und der Welt des Kommerzes und des Marketing, der Konsumgüter, Mode, des Lifestyle und Tourismus – was man etwas despektierlich gerne ›die Konfektion‹ zu nennen pflegte. Diese Verbindung lässt sich besonders deutlich am Beispiel von Ernst Lubitsch ausmachen, den Davidson vom Theater zum Film holte und dessen frühe Filme regelmäßig im Milieu der Bekleidungs-Boutiquen und Kaufhäuser angesiedelt waren. Indem sie Schauplätze und Intrigen beinhalteten, in welchen sich das Kino selbst spiegelte und parodierte, zeigten Lubitschs frühe Filme nicht nur, wie clevere junge Kaufleute aus den Eitelkeiten und Wünschen einer neuen Gattung von (oft weiblichen) Konsumenten ein Vermögen machten. Aus Karsten Wittes Essay über SCHUHPALAST PINKUS (1916) geht auch hervor, dass Lubitsch durchschaut hatte, wie in dieser Welt des Glaubenmachens Trug und Maskerade zu einer höheren Form der Ehrlichkeit werden können, und Schmeichelei zum subtilen Pakt, den die Stars mit ihrem Publikum schlossen. Es wird gelegentlich behauptet, das frühe Kino habe über keine Berühmtheiten verfügt, weil die Mischung aus einzelnen Programmnummern weder Individualisierung noch Identifikation zugelassen hätte. Was man jedoch im deutschen Kino, von den ersten Messter-Produktionen an, findet, sind Starschauspieler. Bewundert für ihre besonderen Fertigkeiten und außergewöhnlichen Talente, erprobt in Zirkus und Varieté, waren dies Meister des komischen Blitzauftritts, Muskelprotze wie die Milton Brothers, Operetten- Virtuosen wie Franz Porten, die Löwenbändigerin Tilly Bébé, Zauberkünstler, Spaßmacher und Gymnastiker. Thomas Brandlmeiers Beitrag zur deutschen Filmkomödie vermittelt einen Eindruck davon, wie diese Welt begnadeter Bühnenkünstler wie Josef Giampietro (Abb. 4 und 5), Alexander Girardi, Hans Junkermann (Hauptdarsteller von WO IST COLETTI?, der in mehreren Beiträgen diskutiert wird), Wilhelm Bendow und, natürlich, Karl Valentin das Rückgrat des frühen Kinos bildete, und zwar zu einer Zeit des intensiven Austauschs mit der Varieté-Kultur, die in den Filmgeschichtsbüchern so gerne unterschlagen wird. Das ist auch deshalb so, weil bis vor kurzem – mit Ausnahme von Barry Salt38 – Filmhistoriker der Operette als dem wohl wichtigsten Unterhaltungsgenre und Schlüsselmedium bei der Formierung des deutschen Kinos nicht die notwendige Beachtung geschenkt haben.39 Eine so wesentlich von der Musik abhängige Unterhaltungsform wie die Operette war lange Zeit kaum dazu angetan, die Aufmerksamkeit jener zu erhaschen, die nach den Wurzeln des ›Stummfilms‹ suchten. In Verbindung mit der in Deutschland in allen gesellschaftlichen Schichten hoch entwickelten Musikkultur liefern Messters Tonbilder und die Plots so vieler deutscher Filme aus den 10er und frühen 20er Jahren jedoch genügend Anhaltspunkte dafür, dass populäre und klassisch- bürgerliche musikalische Formen und der dazugehörige Musikgeschmack sehr wohl die lange verborgene Norm des frühen deutschen Kinos zwischen 1902 und 1909 gewesen sein könnten.40

[Bild 4+5: Abb. 4 und 5: Die Wandlungsfähigkeit des Variete- und Filmstars Josef Giampietro]

Im Vergleich zu den Varieté-Künstlern waren die Schauspieler der zweiten Phase natürlich von ganz anderer Konstitution. Aufgrund seiner vielfältigen Verbindungen zur ›Konfektion‹ waren die ›Hauptattraktionen‹ des Kinos Stars, die weniger für ihre besonderen Fertigkeiten geliebt werden konnten als für etwas, das man vielleicht ihre außergewöhnliche Fähigkeit, das Typische zu verkörpern, oder ihre spezielle Gewöhnlichkeit nennen könnte. Henny Porten ebenso wie Hanni Weisse, Ernst Reicher oder Harry Piel lieferten die Vorbilder für ein auf gesellschaftlichen Aufstieg orientiertes Publikum, dem sie in Perfektion vorführten, wie man sich als herrschaftliche Dame, Tochter aus gutem Hause oder unverheiratete Mutter zu benehmen habe; oder ihm die Garderobe, Gesten und Weltanschauungen nahe brachten, die einem Mann der Großstadt, einem Kavalier oder einem unerschrockenen Detektiv zukamen.41

Neben Stars sind Genres das offensichtlichste Mittel, mit dem das Kino mit seiner Öffentlichkeit in Kontakt tritt. Die Eigenart des Kinos einer Nation könnte daher am ehesten über die vom Publikum bevorzugten Genres erschlossen werden. Aus Gründen, die von Tilo Knops, aber auch von Sabine Hake berührt werden, ist der Detektivfilm nicht nur ein Schlüsselgenre für bestimmte Prozesse der Selbstdefinition und Selbstbezüglichkeit im Kino als Ganzem (und wirft Fragen nach Erzählstoffen und -mustern, Handlungsträgern und so weiter auf). Über seinen weit verzweigten internationalen Stammbaum (vor allem dänischer und französischer, aber auch amerikanischer Provenienz) rückt das Detektivgenre das deutsche Kino auch ins Zentrum der aktuellen Debatten über Moderne, Großstadt und Flanerie.

Wahr ist zugleich, dass sich im deutschen Genrekino einige spezifische Variationen feststellen lassen, etwa dass die allgemeine Starverehrung das besondere kulturelle Kapitel mit einschloss, das mit einem von der Bühne oder aus der literarischen Welt bekannten ›Namen‹ assoziiert wurde (von Albert Bassermann und Paul Wegener als Schlüsselschauspielern zu Hugo von Hofmannsthal, Gerhart Hauptmann und Paul Lindau als Repräsentanten des literarischen Establishments). Das Prinzip verweist darauf, dass die deutsche Filmindustrie am Vorabend des Ersten Weltkriegs eine expandierende Produktion sowie eine sich in allen ihren Zweigen konzentrierende und konsolidierende Infrastruktur besaß, was zusammengenommen jenen Quantensprung darstellte, der schließlich zu einer deutlichen Qualitätsverbessung führte. In dieser Situation konnte der Ausbruch von Feindseligkeiten 1914 nur Verwirrung stiften, da angesichts des hier skizzierten, weitaus verschlungeneren und indirekteren Kausalzusammenhangs zwischen Kino und Politik der Einfluss des Krieges auf die Filmindustrie keineswegs leicht zu bestimmen ist. Unter Filmhistorikern besteht noch immer die weit verbreitete Annahme, dass der Krieg einen radikalen Einschnitt für die Filmindustrie bedeutete – womit man sich entweder erklären will, weshalb das deutsche Kino erst nach 1918 wirkliche Fortschritte machte, oder, umgekehrt, dass die Importbeschränkungen und das Fehlen ausländischer Konkurrenten das Wachstum der einheimischen Produktion förderte. Wie aber Rainer Rother am Beispiel des deutschen Propagandafilms demonstriert, führt eine sorgfältige Betrachtung des erhaltenen filmischen und schriftlichen Materials aus international vergleichender Perspektive auch hier zu weitaus nuancierteren Einschätzungen.

Raumkonstruktionen und Wahrnehmungsformen

Nicht weniger wichtig als die Erforschung der wirtschaftlichen und institutionellen Infrastruktur ist also eine erneute Beschäftigung mit den Auswirkungen, die diese Revolution in der Aufführungspraxis, ihre Ausrichtung auf eine Konsumkultur und der Übergang zum langen Spielfilm als dem zentralen Element des Kinoprogramms auf die formalen und stilistischen Eigenschaften der Filme hatten. Wie in mehreren Beiträgen festgestellt wird, ist das europäische und besonders das deutsche Kino der 10er Jahre von der Forschung in dieser Hinsicht nicht gerade mit Wertschätzung verwöhnt worden. Oft als ›anfängerhaft‹ oder ›rückwärtsgewandt‹ bezeichnet, werden die Filme vor allem aufgrund ihrer bürgerlichen Orientierung dem Sprechtheater und der (bürgerlichen) Bühne gegenüber entweder als irritierend hörig oder als auf interessante Weise verpflichtet betrachtet. Mit dem Theater als negativer ›Norm‹ im Hintergrund konnte dann die Filmproduktion der 10er Jahre auf diese Weise nach außergewöhnlichen Filmen, die sich das Theater nicht zum Vorwand nehmen, abgeklopft werden. Viele der Filme sollten aber auch einer kritischen Beurteilung ausgesetzt werden, die den Vergleich zieht zu einer internationalen zeitgenössischen Filmpraxis, welche das Theater lange hinter sich gelassen und die weitaus filmgemäßere Erzählmittel entwickelt hat. Dies ist zum Beispiel der Ansatzpunkt von Barry Salt, der sich kaum überrascht zeigt, dass selbst das einheimische Publikum angesichts unübersehbarer stilistischer Defekte vor deutschen Produktionen zurückschreckte und amerikanische Filme vorzog. Mit seiner detaillierten Kenntnis des internationalen Kinos der 10er Jahre kann er jene Tabellen und Diagramme präsentieren, für die er zurecht berühmt ist: durchschnittliche Einstellungslängen, Einstellungsgrößen und Schnittfrequenzen erbringen den statistischen Beweis, dass deutsche Filme ›langsam‹ sind, verglichen mit amerikanischen, französischen und dänischen Produktionen jener Zeit. Salt legt den Finger auf die ›Wunden‹ deutscher Filmemacher, wenn er das Fehlen von Szenenauflösung und unsichtbarer Montage ebenso thematisiert wie die tableau-artigen Kompositionen und frontalen Inszenierungsweisen, die einen theatralischen Erzählraum des 19. Jahrhunderts zu rekonstruieren scheinen, welchem Spektakel, Tempo und erzählerische Verve vollständig abgehen.

Im Unterschied dazu hat Sabine Hake den Versuch unternommen, die deutsche Produktion der 10er Jahre unter dem Kriterium der Selbstreferenzialität und der selbstbewussten Verwendung des Mediums zu betrachten. In einer Anzahl von Filmen entdeckt sie Erzählmittel, die sich unmissverständlich auf das eigene Medium beziehen, indem sie das Publikum ins Spiel bringen, zum Beispiel in WIE SICH DER KINTOPP RÄCHT, einer Satire auf einen heuchlerischen Kinoreformer, oder von Figuren handeln, die mit der Herstellung von Filmen beschäftigt sind (DER STELLUNGSLOSE PHOTOGRAPH), oder Asta Nielsen als DIE FILMPRIMADONNA eine amüsante Film-im-Film-Parodie auf die Branche inszenieren lassen.

Ein verwandtes Kriterium – das der ›Expressivität‹ – findet man in Kristin Thompsons Essay über Paul von Worringens DIE LANDSTRASSE (1913). In ihrer genauen Analyse der Erzählprinzipien und formalen Strategien des Films, die sich nicht auf Bühneninszenierungen oder seine literarische Stoffvorlage zurückführen lassen,42 sieht Thompson einen Stilwillen und eine filmische Expressionskraft am Werk, wie sie sie an anderer Stelle in unterschiedlichen Produktionen einer ganzen Reihe von Ländern feststellen konnte.43 Dies brachte sie schließlich dazu, – entgegen der traditionellen Datierung der Geburtsstunde der Filmavantgarde auf die Uraufführung von DAS CABINET DES DR. CALIGARI Anfang 1920 –, schon für die 10er Jahre die Existenz einer (populären) Avantgarde zu behaupten. Nicht nur Thompson (in ihrem anderen Beitrag zu diesem Band), auch Leonardo Quaresima plädiert in seiner Betrachtung der HOMUNCULUS-Serie dafür, die Filme des fantastischen Genres aus der Mitte der 10er Jahre als Experimente anzusehen, die als solche das ›fehlende Glied‹ zwischen den fantastischen Filmen der frühen 10er Jahre (wie DER STUDENT VON PRAG) und den für ihre Stilisierungen berühmten fantastischen Filmen der 20er Jahre bilden könnten.

Sich in ihrer formalen Strenge ähnelnd, zielen sowohl Salt als auch Thompson darauf, filmische Besonderheiten zu isolieren, um aus ihnen einen Eindruck jenes kinematographischen Stils zu gewinnen, der als die Norm einer historischen Periode gelten könnte. Eine solche Feststellung der jeweiligen Norm kann wiederum nicht nur bei der Abgrenzung des Kinos vom Theater von Bedeutung sein, sondern auch dazu dienen, vergleichende, internationale Kriterien zu finden, an denen gemessen einige Filme – in Salts Fall DIE LIEBE DER MARIA BONDE , bei Thompson DIE LANDSTRASSE – als aufschlussreiche Ausnahmen gelten können. Legt man allerdings Salts Kriterien an das Werk Franz Hofers an, scheint wenig für jene filmische Qualität zu sprechen, die Elena Dagrada und Yuri Tsivian in zwei begeisterten und äußerst detaillierten Analysen in ihm entdecken.

Vielleicht lässt sich am Ende dieser Einleitung benennen, worum es in dieser Debatte geht, wenn die bisher zusammengefassten Argumente in einen etwas anderen konzeptionellen Rahmen gestellt werden. So scheint mir, dass sich die Filmproduktion der 10er Jahre am besten simultan in zwei Richtungen, gewissermaßen zweidimensional, definieren lässt: Eine Dimension betrifft die erzählerischen und stilistischen Folgeerscheinungen des neuen langen Spielfilmformats, während die zweite Dimension die des Verhältnisses zwischen Zuschauer und Leinwand ist, das entweder (im Anschluss an die so genannte ›Apparatus-Theorie‹44) in seinen konstitutiven, metakritischen Aspekten betrachtet werden könnte oder (im Anschluss etwa an Charles Mussers Geschichte einer ›Leinwand-Praxis‹45) in seiner vom jeweiligen Aufführungskontext abhängigen Historizität. Es handelt sich hier um zwei miteinander verbundene, dennoch unabhängige Variablen, die getrennt voneinander untersucht werden müssen und die beide in der Tat eine äußerst sorgfältige Analyse der Filme selbst erfordern. Die Beiträge von Heide Schlüpmann, Elena Dagrada, Ivo Blom, Jan-Christopher Horak, Wolfgang Mühl-Benninghaus und Michael Wedel können – und sollten – als eine Rückkehr mit neuen Augen zu Filmen und Filmemachern gelesen werden, die implizit nahe legt, dass jede Vorstellung von Norm und Abweichung, aber auch jede Definition des spezifisch Filmischen in einer sorgfältigen Untersuchung der historischen Intertexte begründet sein muss, so dass weder dem Proszeniumsraum des Theaters (in Mühl-Benninghaus’ Untersuchung der Raumentwürfe in DON JUAN HEIRATET und DER ANDERE) noch dem Vorbild der Genre-Malerei (in Bloms Beitrag zu piktorialen und touristischen Repräsentationskonventionen) a priori ein Wert hinsichtlich (fehlender) filmischer Spezifität zugeschrieben werden kann. Elena Dagradas eingehende Betrachtung der Filme Hofers zeigt anhand der Parameter von point of view und filmischem Raum, wie eine detaillierte Lektüre der Filme neue Informationen zutage fördern kann. Sie beweist aber auch, wie die Kenntnis historischer Intertexte und eine kognitive Herangehensweise an Probleme der Narration einen Filmemacher wieder zum Leben erwecken können, dessen Werk aus dem Gedächtnis des Kinos fast vollständig verschwunden war.46 Vor allem ist es aber Yuri Tsivians vergleichende Studie von Raumkonstruktionen, kompositorischen Details und Figureninszenierungen in den Filmen Jewgenij Bauers und Franz Hofers, die unser herkömmliches Bild von den 10er Jahren als einer vom Theater tyrannisierten Periode der europäischen Filmgeschichte herausfordert, indem Tsivian uns vor Augen führt, dass aus dem Kern von Theatralität und Piktorialismus durchaus genuin filmische Raumkonzeptionen und Erzählformen hervorgehen können.

Diese Beispiele lassen darauf schließen, dass die frühen Filme Geschehnisse und Handlungen zunächst einmal ›darstellen‹. Das ›Erzählen‹ überließen sie zumindest teilweise den externen Faktoren der Vorführung, wie dem Erklärer oder der Programmierung durch den Kinobetreiber. Damit wäre angedeutet, wenn nicht sogar bewiesen, dass diese Filme – fast so direkt wie die, deren Protagonisten der Kamera den Blick zuwenden – sich ihr Publikum ebenfalls als physisch im Saal präsentes Kollektiv vorstellen. Indem sie es direkt ansprechen wollen, um damit die Trennung der Raumkonstellation aufzuheben, verfallen sie auf Stil- und Darstellungsmittel des Performativen (unter denen der direkte Blickkontakt nur das evidenteste ist). Dass auch die Kinobetreiber ihr Publikum als Kollektiv verstanden haben, ergibt sich aus verschiedenen Indizien, die Filmhistoriker immer häufiger der damaligen Fachpresse entnehmen. So hat zum Beispiel Ben Brewster mehrere Umfragen in Branchenblättern der 10er Jahre analysiert, bei denen Kinobesitzer wissen wollten, was für eine optimale Projektion die ›korrekte‹ Größe der Leinwand sein müsste. 1908 hieß die Antwort:

Leinwand und Projektor sollten so angeordnet sein, dass die Personen in Lebensgröße projiziert erscheinen; [aber schon im] Jahre 1915 wird [den Kinobetreibern] geraten, die Größe der Leinwand im Verhältnis zur Größe des Saales zu variieren. Die frühere Position hat also ein literarisches, theatralisches Konzept des dargestellten Raumes, in dem die Leinwand ein Fenster ist, hinter dem die Protagonisten in einem messbaren Abstand zu den Zuschauern stehen. Im späteren Ratschlag von 1915 wird das Filmbild nicht absolut, sondern in Relation gesetzt, so dass die (relative) Entfernung zwischen Zuschauern und Protagonisten die eigentliche Variable ist, auf die es ankommt.47

Das bedeutet, dass vor 1915 die Relation des Zuschauers zum projizierten Bild die des Theaters, des Varietés und der Kleinkunst zu imitieren suchte, während sich danach, also im Übergang zum ›klassischen‹ Erzählkino, das Kino ein ganz ihm eigenes Raumgefühl herstellen wollte, wobei das wichtigste Moment die Konstruktion einer einzigen Perspektive für alle Zuschauer war, unabhängig von der Platzierung im Saal. Das heißt aber auch, dass damit der Zuschauer als einzelner, individualisierter und isolierter gesehen und in dieser Form auch angesprochen wird: Jeder Zuschauer hat von nun an ›den besten Sitzplatz im Haus‹, und dies ist bis heute das Konstruktionsprinzip nicht nur der Kinosäle, sondern auch der Komposition des bewegten Filmbildes geblieben.

Zusammengefasst lautet meine These, dass die Entwicklung des frühen Kinos zum ›Erzählkino‹ weder über das Modell der gesellschaftlichen Abbildfunktion noch in einer Teleologie zur Transparenz und zum immer größeren Abbildungsrealismus verstanden werden kann, sondern als die im doppelten Sinne ›ökonomisch‹ und daher historisch bedingte Lösung für eine Reihe widerstreitender Gegebenheiten gesehen werden muss, die mit der Repräsentation von Raum und Zeit, aber auch mit der Repräsentation des Zuschauers in dieser Raum-Zeit-Beziehung eng Zusammenhängen. Der Kompromiss, um den sich das frühe Kino einpendeln und somit auf breiter Basis zur Industrie entwickeln konnte, kristallisierte sich um eine ›Logik der funktionalen Äquivalenz‹, die wiederum davon abhing, dass das Kinobild auf zwei Formen der Bindung mit dem Repräsentierten verzichtete: auf die nachprüfbare zwischen dem Gefilmten und dem, was vor der Kamera stattfand (Abbildfunktion), sowie auf die physische Verbindung zwischen Zuschauer und Leinwand (Erlebnismodus). Zunächst waren Filme reine Abbildungen, die einem Live-Publikum hauptsächlich Situationen vorführten, die anderswo bereits existierten, als in sich geschlossene Handlungen, als malerische Landschaften, als Varieté-Attraktionen, als Sketche oder Gags. Eine historische Dynamik allerdings zwang das Kino dazu, eine eigene Autonomie zu entwickeln, indem es einen Weg fand, diese doppelte ›Realität‹ (die des vor der Kamera sich abspielenden Ereignisses und die der Zuschauer-Leinwand-Beziehung) in eine einzige, homogene ›Welt‹ zu überführen, in der beide Realitäten enthalten sind, wenn auch in subtil veränderter Form. Der Zuschauer musste weder an die Leinwand (als einem performativen Raum) noch an das Ereignis oder die Person gebunden sein, sondern an deren Repräsentationen: Das verlangte nach einer Änderung sowohl der Logik des darzustellenden Ereignisses als auch des Standpunktes des Zuschauers gegenüber der Handlung. Auf der einen Seite steht also das ›frühe‹ Kino als gemeinschaftliches Erlebnis, das sich an ein kollektives Publikum richtet, welches seine eigene Situation des Zuschauens als extern und getrennt von den dargestellten Ansichten auffasst; auf der anderen Seite – und im Grunde schon seit Lumière angelegt – die Entstehung eines individualisierten Betrachter-Subjekts, in dem wir im Wesentlichen das des klassischen Kinos erkennen. Als mit den multi-shot-Filmen und den Anfängen des analytischen Schnitts komplexere Handlungen auf die Leinwand gebracht wurden, änderte sich die Haltung des Zuschauers und die Art, wie er Ereignisse und Personen erlebte: Beispiele wären der Gebrauch der Großaufnahmen als Inserts oder point-of-view-Einstellung, wie sie in den Beiträgen von Thompson, Dagrada und Wedel analysiert werden.

Die Hinwendung des frühen Kinos zum Langspielfilm erscheint also als die Konsequenz und nicht als kausaler Grund einer Umwandlung des Publikums in individualisierte Zuschauer, die durch eine andere Körper-Selbsterfahrung (nur unzureichend mit dem Begriff des Erzählkinos umrissen) in das Dargestellte eingebunden werden und somit in ein Raum-Zeit-Gefüge eintreten, welches die Filmtheorie als ›das Imaginäre‹ bezeichnet hat, das aber heute immer öfter auch als virtuelle Realität gehandelt wird. Allerdings schließt das Imaginäre im Kino, so könnte man argumentieren, virtuelle Realität zwar mit ein, wird damit aber noch nicht erschöpft: Im Gegenteil, manchen virtual reality displays fehlt genau ein entscheidendes Element der Faszination des Kinos, nämlich die Subjektivierung, die das Indiz des Imaginären ist.

Woher aber kommt diese Entwicklung (wenn es tatsächlich eine Entwicklung ist) vom frühen zum klassischen Kino, von einer kollektiven Rezeptionshaltung zum individuellen Zuschauer? Erst einmal könnte man festhalten, dass die harten Gegenüberstellungen von Zeigen und Erzählen, Stummfilm und Tonfilm, performativ und narrativ – inklusive ›Kino der Attraktionen‹ und ›Kino der narrativen Integration‹ – doch vielleicht zu formalistisch sind und die nötige geschichtliche Dimension eher aussparen: Es sei denn, es handelt sich tatsächlich um eine ewige Wiederkehr, eine Art Pendelschlag zwischen ›Erzählung‹ (narrative) und ›Show‹ (spectacle), der sich durch die Epochen zieht. In beiden Fällen erweist sich dabei die organische Metapher der Entwicklung, die schon Noël Burch und Tom Gunning kritisiert haben, als unbrauchbares Erklärungsmuster. Das Kino ist nicht ›erwachsen‹ geworden, indem es das psychologisierende Erzählen gelernt hat. Ein Krieg hat hierbei eine entscheidende Rolle gespielt – allerdings nicht, wie schon angedeutet, der Erste Weltkrieg, denn die Entwicklung, um die es hier geht, fand besonders rasant in den USA statt, die in den maßgeblichen Jahren nicht zu den kriegführenden Nationen gehörte. Der Krieg, den ich meine, hat sich sozusagen an einer für die Zuschauer eher unsichtbaren Front abgespielt, nämlich derjenigen, an der die Produzenten den Kinobetreibern gegenüberstanden, als es darum ging, die Kontrolle über das Produkt ›Film‹ dem Vorführer, Kinobesitzer oder Schaubudenbetreiber zu entreißen, um den Film der Verfügungsmacht ebenso wie den Normen der Produzenten und dem Vertrieb zu unterstellen. Denn wie die Forschungen zum sozialen und ökonomischen Umfeld des frühen Films deutlich gezeigt haben, war das Aufkommen des langen Spielfilms als dominantem Modell wesentlich abhängig von dem spezifischen Kräfteverhältnis zwischen den Kinobetreibern einerseits und der Produktion beziehungsweise Distribution andererseits.48 Alles lief darauf hinaus, dem Kinobesitzer die Macht darüber zu entreißen, wie er sein Filmprogramm gestalten kann, wobei es auch darum ging, eine Neutralisierung des einst so bewegten, abwechslungsreichen Zuschauerraums, das heißt die Renovierung des Kinos als physischem Ort der Erfahrung und des Erlebnisses, durchzusetzen. Insofern hat es Hollywood den Kinoreformern nur recht gemacht, bestand eine grundlegende Bedingung des klassischen Kinos doch darin, die Kontrolle auf der textuellen Ebene mehr und mehr in die Hände der Produzenten beziehungsweise Regisseure zu legen. Was bewerkstelligt das ›klassische Erzählkino‹ schließlich, wenn nicht die textuelle Form des Konsums, das heißt die Verständnismöglichkeiten eines Films zu steuern und damit zu kontrollieren? Auf anderen Ebenen – der Heranführung und ›Handhabung‹ des Publikums – ist die Kontrolle lange Zeit in den Händen der Verleiher und Kinobesitzer geblieben. Aus dieser Perspektive stellt sich somit die Periode des Übergangs noch einmal als ein Kompromiss dar zwischen verschiedenen Faktoren, die in der Praxis verzahnt sind, in ihren Wirkungen jedoch durchaus widersprüchlich bleiben. Erst durch die Standardisierung der Länge und die Anpassung von Form und Inhalt an diesen Standard wurde die Grundlage für eine massenproduzierende Filmindustrie geschaffen. Aber dazu mussten Filme in einem regulierten Verleih- und Tausch-Kreislauf zirkulieren können, wofür es wiederum der Existenz von Verleihern und Kinobesitzern bedurfte, die feste Abspielstätten, verlässliche Spielpläne und einen konstanten Umsatz des Produktes garantieren konnten.

Das Kino handelt mit der Ware ›Vergnügen‹ in einer weit offenkundigeren Weise als es etwa die Automobilindustrie tut. Da aber die Warenproduktion allgemein sich vom Gebrauchswert hin zum Schau- und Statuswert bewegt hat, mag das Kinoprodukt immer weniger unterscheidbar sein von all den anderen Konsumgütern, für die mit Mitteln idealisierter Selbstbilder, Lifestyles und den damit verbundenen Wunschträumen und Werten bei den Konsumenten geworben wird. Allerdings hat das Kino genau auf diesem Terrain seine kulturelle Vormachtstellung: Es ist die Forschungs- und Entwicklungs-Abteilung speziell dieser ›Darstellungsmodi‹, die wir heute mit dem Begriff Konsumgesellschaft verbinden, deren Avantgarde das Kino immer noch ist.

Somit stellt sich die Frage, ob das Kino überhaupt Produkte anbietet oder nur Dienstleistungspakete. Denn der Kinobesitzer bestreitet immer noch einen guten Teil seines Einkommens aus Popcorn, Eis-am-Stiel und Softdrinks. Die Modebranche, die Musikindustrie und die Werbung dagegen brauchen den Film. Das wiederum ist wichtig für sein Publikum, welches darauf bauen möchte, dass das Kino als Institution die notwendige Qualitätskontrolle ausübt, denn man will ja im Voraus wissen, dass man es mit Spitzenware zu tun hat. Es ist also nicht das Erzählkino an sich, das Hollywood so erfolgreich und quasi unschlagbar gemacht hat, sondern die Normierung und Standardisierung der Ware ›Film-Erlebnis‹, auf die sich der Konsument verlassen kann; liefert Hollywood ihm doch das (technische) Gütesiegel ›State of the art‹, sei es nun im Genre des ›Suspense‹, der ›Romance‹ oder ›Special effects‹. Bei der Geschichte des frühen Kinos geht es also letztlich um etwas sehr Grundsätzliches, nämlich wie das Kino-Erlebnis konkret zur Ware wird. Wie man weiß, ist Konsum tendenziell eine individualisierende Form der Erfahrung. Der individuelle Zuschauer taucht also somit genau in dem Moment auf, als die Produktion den Modernisierungsstand der Auswertung erreicht hatte, das heißt die Ausformung des Erlebnisses zur Ware – womit das Erzählkino so etwas wäre wie das Resultat der Synchronisierung dieser beiden Teile des Filmgeschäfts beziehungsweise des letztendlichen Sieges der Produktion und Distribution über die Auswertung. Das Konzept des Monopolfilms mit seinen koordinierten Uraufführungsdaten und intensiven Auswertungsperioden ist deshalb eine logische Konsequenz dieses in den 10er Jahren in eine heiße Phase getretenen Kriegs, der auch die deutsche Kinokultur Anfang der 20er Jahre grundlegend verändert hinterlassen hat.

Aus dem Englischen von Michael Wedel

Notes

1

Zu einigen sowohl archivalischen wie konzeptionellen Problemstellungen in der Erforschung des deutschen Kinos der Jahre 1895 bis 1917 vgl. Thomas Elsaesser: Early German Cinema: Audiences, Style and Paradigms. In: Screen, Bd. 33, Nr. 2, Sommer 1992, S. 205 f.; ders.: Wilhelminisches Kino. Stil und Industrie. In: KINtop 1, 1992, S. 10-27.

2

Vgl. den Beitrag von Barry Salt in diesem Band.

3

Eine Auswahl ihrer Arbeiten findet sich versammelt in Thomas Elsaesser (Hg.): Early Cinema. Space, Frame, Narrative. London 1990.

4

David Bordwell, Janet Staiger, Kristin Thompson: The Classical Hollywood Cinema. Film Style and Mode of Production to 1960. London 1985.

5

Vgl. hierzu den auf Veränderungen der Standard-Filmlänge basierenden Periodisierungsvorschlag von Corinna Müller: Variationen des Kinoprogramms. Filmform und Filmgeschichte. In: Corinna Müller, Harro Segeberg (Hg.): Die Modellierung des Kinofilms. Zur Geschichte des Kinoprogramms zwischen Kurzfilm und Langfilm (1905/06—1918). München 1998, S. 43-75.

6

Vgl. Thomas Elsaesser: The New Film History. In: Sight & Sound, Bd. 55, Nr. 4, Herbst 1986, S. 246—251.

7

Robert C. Allen, Douglas Gomery: Film History. Theory and Practice. New York 1985, S. 38.

8

Biofilmografische Informationen über diese beiden Regisseure sind mittlerweile in zwei Einzelpublikationen gesammelt. Vgl. Michael Wedel (Hg.): Max Mack. Showman im Glashaus. Berlin 1996; Andrea Dittgen (Red.): Franz Hofer. Saarbrücken 1999.

9

Man denke etwa an die Jubiläums-Publikationen über die Ufa und Babelsberg 1992, an die Buchveröffentlichungen über Reinhold Schünzel, Joe May, Erich Pommer und E. A. Dupont, an die mittlerweile über ein Dutzend regionalen Studien zur Film- und Kinokultur sowie vor allem an die filmhistorischen Projekte zum 100. Geburtstag des Kinos 1995.

10

Vgl. auch Heide Schlüpmann: »Die Erziehung des Publikums« - auch eine Vorgeschichte des Weimarer Kinos. In: KINtop 5, 1996, S. 133-146.

11

Heide Schlüpmann: Unheimlichkeit des Blicks. Das Drama des frühen deutschen Kinos. Frankfurt/M. und Basel 1990.

12

Ebd., S. 97.

13

Corinna Müller: Frühe deutsche Kinematographie. Formale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen 1907-1912. Stuttgart und Weimar 1994.

14

Eine wertvolle Quelle für Informationen über die Struktur eines normalen Kinoprogramms und die Konstitution des typischen Publikums ist C. H. Dannemeyer: Bericht der Kommission für ‹Lebende Photographien‹ [1907], Reprint hg. v. Hans-Michael Bock, Hamburg 1980. Eine wichtige Darstellung der Rezeptionsbedingungen zur Zeit des dominierenden Nummernprinzips ist Yuri Tsivian: Early Cinema in Russia and its Cultural Reception. London 1994.

15

Außer dem Programm dieser Premierenvorführung, das aus neun kurzen Sketchen bestand, darunter einem boxenden Känguru, einer Ansicht des Kopenhagener Tivoli sowie einem ans Publikum gerichteten Auftritt seines Bruders Emil, stellte Max Skladanowsky 1896/97 noch ein zweites Programm, überwiegend mit verschiedenen Stadtansichten Berlins, zusammen, das erfolgreich in ganz Deutschland gezeigt wurde, wenn auch zumeist unter Verwendung des (technisch überlegenen) Kinematographen der Brüder Lumiere. Vgl. Joachim Castan: Max Skladanowsky oder Der Beginn einer deutschen Filmgeschichte. Stuttgart 1998.

16

Vgl. Martin Loiperdinger: Film und Schokolade. Stollwercks Geschäfte mit lebenden Bildern. Frankfurt/M. und Basel 1999 [= KINtop Schriften 4].

17

Unter den zahlreichen Darstellungen der ersten Jahre des Kinematographen ist eine besonders detaillierte die von Guido Convents: L’apparition du cinema en Belgique (1895-1918). In: Les Cahiers de la Cinémathèque, Nr. 41, April 1984, S. 12-26. Vgl. auch die Beiträge in Jaarboek Mediageschiedenis 8: Hondertjaarfilm — het begin. Amsterdam 1997.

18

Einige der einheimischen Konkurrenten, gegen die sich Messter in den Anfangsjahren des Kinos durchsetzte, porträtiert Deac Rossell: Jenseits von Messter – die ersten Kinematographen-Anbieter in Berlin. In: KINtop 6, 1997, S. 167—184.

19

Zu Person und Karriere Messters vgl. die Beiträge in Martin Loiperdinger (Hg.): Oskar Messter. Filmpionier der Kaiserzeit. Frankfurt/M. und Basel 1994 [= KINtop Schriften 3] sowie in KINtop 3: Oskar Messter - Erfinder und Geschäftsmann. Frankfurt/M. und Basel 1994.

20

Diese Unterscheidung stammt von Noel Burch: A Paranthesis in Film History. In: ders.: To the Distant Observer. Form and Meaning in Japanese Cinema. London 1979, S.61-66.

21

Vgl. Oskar Messter: Mein Weg mit dem Film. Berlin 1936; vgl. a. Friedrich v. Zglinicki: Der Weg des Films. Die Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer. Hildesheim 1956.

22

Vgl. Noël Burch: Life to those Shadows. Berkeley und Los Angeles 1990.

23

Eine unschätzbare, nahezu zeitgenössische Quelle zur deutschen Varietékultur ist Signor Saltarino: Das Artistentum und seine Geschichte. Leipzig 1910.

24

Vgl. Special-Catalog Nr. 32 der Fa. Ed. Messter [1898]. Reprint hg. v. Martin Loiperdinger. Frankfurt/M. und Basel 1994 [= KINtop Schriften 2].

25

Vgl. den Beitrag von Jeanpaul Goergen über Ästhetik und Vermarktung früher so genannter ›pikanter Filme‹ an deren Produktion und Vertrieb neben der Wiener Saturn-Film vor allem Messters Firma beteiligt war.

26

Jacob van Hoddis: Schluss: Kinematograph [1911]. In: Ludwig Greve, Margot Pehle, Heidi Westhoff (Red.): Hätte ich das Kino! Die Schriftsteller und der Stummfilm. München 1976, S. 15.

27

Alfred Döblin: Das Theater der kleinen Leute [1909]. In: Fritz Güttinger (Hg.): Kein Tag ohne Kino. Schriftsteller über den Stummfilm. Frankfurt/M. 1984, S. 39-41, hier S. 41.

28

Martin Loiperdinger: Kaiser Wilhelm II. Der erste deutsche Filmstar. In: Thomas Koebner (Hg.): Idole des deutschen Films. Eine Galerie von Schlüsselfiguren. München 1997, S. 41-53.

29

Egon Friedell: Apologie des Kinos [1912]. In: Güttinger (Hg.): Kein Tag, a.a.O. (wie Anm. 27), S. 115-117, hier S. 115.

30

Viktor Noack: Der Kientopp. In: Die Aktion, 2. Jg., Nr. 29, 17.7.1912; zit. n. Jörg Schweinitz (Hg.): Prolog vor dem Film. Nachdenken über ein neues Medium 1909-1914. Leipzig 1992, S. 70-75, Zitat S.73.

31

Döblin: Das Theater, a. a. O. (wie Anm. 27), S. 40 f. —

32

Ebd. Vgl. auch Corinna Müllers Argument über Kinder und Jugendliche als wichtigem Publikumssegment in Frühe deutsche Kinematographie, a. a. O. (wie Anm. 13).

33

Emilie Altenloh: Zur Soziologie des Kino. Die Kinounternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher. Jena 1914, S. 58 (zuerst Diss. Heidelberg, 1913).

34

Vgl. Evelyn Hampicke: Vom Aufbau eines vertikalen Konzerns. Zu David Olivers Geschäften in der deutschen Filmindustrie. In: Manfred Behn (Red.): Schwarzer Traum und weiße Sklavin. Deutsch-dänische Filmbeziehungen 1910—1930. München 1994, S. 22-29; Peter Lähn: Die PAGU. Ein Filmunternehmen aus Frankfurt. In: Lebende Bilder einer Stadt. Kino und Film in Frankfurt am Main. Frankfurt/M. 1995, S. 52-59.

35

Zum Monopolfilm und den weit reichenden Konsequenzen seiner Einführung in allen Zweigen der Filmindustrie vgl. Müller: Frühe deutsche Kinematographie, a. a. O. (wie Anm. 13), Kap. 4 und 5.

36

Vgl. Kristin Thompsons Beitrag in diesem Band zur zentralen Rolle Paul Wegeners innerhalb des fantastischen Genres der 10er und 20er Jahre.

37

Vgl. stellvertretend Hermann Wollenberg: Fifty Years of German Cinema. London 1948, S. 9.

38

Vgl. Barry Salt: Die innere Welt von Ernst Lubitsch. In: Uli Jung, Walter Schatzberg (Hg.): Filmkultur zur Zeit der Weimarer Republik. New York u.a. 1992, S. 65-70.

39

Vgl. neuerdings Horst Claus: Varieté – Operette – Film. Berührungspunkte und Konkurrenzkampf aus der Sicht des Fachblattes >Der Artistc In: Katja Uhlenbrok (Hg.): MusikSpektakelFilm. Musiktheater und Tanzkultur im deutschen Film 1922-1938. München 1998, S. 67-84; und Michael Wedel: Schizophrene Technik, sinnliches Glück. Die Filmoperette und der synchrone Musikfilm 1914-1929. In: Ebd., S. 85-104.

40

Zur Bedeutung der Musikbegleitung für die Entwicklung von neuen Filmgenres wie dem frühen Katastrophenfilm in den frühen 10er Jahren vgl. Michael Wedels Beitrag über Mime Misus TITANIC — IN NACHT UND EIS (1912) in diesem Band.

41

Zu den national-propagandistischen bzw. international-kommerziellen Konsequenzen dieser Star-Funktion vgl. im vorliegenden Band die Beiträge von Ramona Curry über Henny Porten und von Michael Wedel über Harry Piel.

42

Vgl. dagegen Corinna Müller: Das ›andere‹ Kino. Autorenfilme der Vorkriegszeit. In: Müller, Segeberg (Hg.): Die Modellierung des Kinofilms, a.a. O. (wie Anm. 5), S. 182 ff.

43

Vgl. Kristin Thompson: The International Exploration of Cinematic Expressivity. In: Karel Dibbets, Bert Hogenkamp (Hg.): Film and the First World War. Amsterdam 1995, S. 65-85.

44

Vgl. für einen Überblick Phil Rosen (Hg.): Narrative, Apparatus, Ideology. A Film Theory Reader. New York 1986.

45

Vgl. Charles Müssen The Emergence of Cinema. The American Screen to 1907. New York 1990, Kap. 1.

46

Das Verdienst der Wiederentdeckung Hofers Anfang der 90er Jahre liegt in erster Linie bei Heide Schlüpmann, die sich seinem Werk in Unheimlichkeit des Blicks, a. a. O. (wie Anm. 11) sowie einer ganzen Reihe von Essays ausführlich gewidmet hat.

47

Zit. n. Thomas Elsaesser: Early Film Form. Introduction. In: Elsaesser (Hg.): Early Cinema, a.a.O. (wie Anm. 3), S.28, Anm. 24.

48

48 Vgl. Charles Musser: Die Nickelodeon-Ära beginnt. Zur Herausbildung der Rahmenbedingungen für den Repräsentationsmodus Hollywoods. In: KINtop 5, 1996, S. 13-35.