Noch nie waren Film und Kino derart populär, noch nie derart allgegenwärtig. Die Besucherzahlen in den USA, in vielen europäischen Ländern und insbesondere in Indien und Asien haben sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt, während in den meisten großen Städten neue Kinos – Cineplexe und Multiplexe – gebaut wurden, oft im Verbund mit Einkaufs- und Freizeitzentren. Wenn Cineasten ihre »siebte Kunst« kaum wiedererkennen und manche die Entwicklungen missbilligen – wohin sie sich auch wenden, erblicken sie Standardisierung, Sequels und die weite Schneise, die der Hollywood-Blockbuster in die Kinolandschaft geschlagen hat –, so ist unterm Strich auch eine größere Vielfalt zu konstatieren: Es gibt mehr spezialisierte Kinosäle und Filmfestivals, Videotheken und DVD-Editionen, womit Filme aller Länder und jeglicher Couleur, sämtlicher Genres und Formate für jeden Geschmack und jede Präferenz verfügbar sind. Allein in Europa existieren mehr Filmfestivals als Tage im Jahr, und keine Fernsehanstalt kommt ohne Spielfilme sowie Beiträge über ihre Stars, ihre Macher, ihre Fans aus. Digitale Aufnahmetechniken, Flachbildschirme und Mehrkanal-Tonsysteme für den Heimgebrauch haben im Verbund mit preiswertem Vertrieb und kompakten Speichermedien wie der DVD neue Sekundärmärkte für Spiel- und Dokumentarfilme wie auch für Reprisen von Klassikern eröffnet, und damit sind ganz neue Filmkulturen – off- und online – entstanden.
Vor zehn Jahren hätte man diesen Filmboom und seine globale Ausbreitung kaum vorhersagen können. Mitte der 1990er Jahre, zur Hundertjahrfeier des Kinos, diagnostizierte eine so prominente Kritikerin wie Susan Sontag, das Kino sei unumkehrbar dem Verfall geweiht, und schon in den 1980er Jahren fragten sich Verfechter des New Hollywood, wer es umgebracht habe: »Who killed Hollywood?«1 Ähnlich hatte Jean-Luc Godard bereits im Jahrzehnt zuvor, den 1970er Jahren, das Kino für tot erklärt und damit der Depression und Verzweiflung vieler Filmemacher, vor allem angesichts des Zustands des französischen Kinos – schon immer Zugpferd in Sachen Filmkunst – Ausdruck gegeben. Mit anderen Worten: Die Annahme, dass aufgrund neuer Unterhaltungsmedien wie dem Fernsehen und dem Videorecorder die letzte Stunde sowohl der Filmindustrie wie der Filmkunst geschlagen habe, war weit verbreitet und liegt kaum eine Generation zurück. Auch wenn solch eine Prognose heute kurzsichtig oder zumindest konservativ erscheint, gab es in den 1960er und 1970er Jahren genügend Gründe zu glauben, dass die Traumfabrik Hollywood – wie der Schiffbau in Schottland, der Kohlebergbau im Ruhrgebiet und die Autoproduktion in England – zu einer obsoleten Industrie geworden war. Das Familienpublikum blieb zu Hause vor dem Fernseher, die Teenager zogen Discos und Konzerte den Western und Musicals vor, und schließlich wurden die großen Studiogelände an Grundstücksspekulanten, Bestattungsunternehmen und Ölmagnaten verkauft. Der Wettbewerb zwischen Europa und Hollywood – beinahe so alt wie das Kino selbst – hatte sich scheinbar zugunsten Europas entschieden, wo Zuschauer über 30 noch ab und zu ins Kino gingen und statt kommerziell ausgerichteter Mainstreamproduktionen lieber Autorenfilme sahen. Diese Präferenz zeigte sich auch in kritischen Studien zum Film, die seit Anfang der 1960er Jahre publiziert wurden und Anfang der 1970er Jahre an französischen, englischen und US-amerikanischen Universitäten zur Formierung einer theoretisch ausgerichteten Filmwissenschaft führten. Die neue akademische Disziplin gründete sich also auf die Totsagung Hollywoods, positiv gewendet als nostalgische Feier des goldenen Zeitalters der großen Auteurs wie Alfred Hitchcock, John Ford, Howard Hawks, die sich im Studiosystem und seinen Genres behauptet hatten. Dieses Gefühl des Verlustes – man könnte sagen: Verlust der Unschuld – gehörte zur »Liebe zum Kino«, wobei nicht die Filmemacher, sondern die cinephilen Kritiker diesen Verlust beklagten. Im Umkehrschluss führte das in den späten 1970er Jahren zu einer messerscharfen ideologischen Kritik an Hollywoods Illusionismus, der zum reinen Spektakel verkommen sei, und an den Erzählmustern, die sich als psychologischer Realismus tarnten, aber der herrschenden Ideologie Vorschub leisteten. Vor dem Hintergrund der »neuen Wellen« in fast allen Ländern (vom italienischen Neorealismus nach 1945 über die französische Nouvelle Vague bis hin zum brasilianischen Cinema Novo um 1968 und zum Neuen Deutschen Film der 1970er und 1980er Jahre) demontierte die meist aus Frankreich stammende Filmtheorie das bürgerliche Subjekt im Hollywoodfilm, egal ob es unter der Regie von Ford (YOUNG MR. LINCOLN / Der junge Mr. Lincoln; 1939), Hitchcock (SUSPICION / Verdacht; 1941), Orson Welles (TOUCH OF EVIL / Im Zeichen des Bösen; 1958) oder George Lucas (AMERICAN GRAFFITI; 1973) entstanden war. Hollywood wurde damit generell verstanden als System für die Modellierung ideologischer Rollenvorgaben bei der Darstellung von Frauen (und Männern) im unvermeidlichen Zerrspiegel von Kapitalismus, Sexismus und Patriarchat.
[Bild 1: Der Beginn des Blockbuster-Kinos: JAWS (Der weiße Hai; 1975; R: Steven Spielberg) ...]
Globales Medium oder lokaler Zeitvertreib?
Angesichts all dessen lohnt es sich zu fragen, was Hollywood so erfolgreich macht, dass es sich von seinen Krisen und Kritikern immer wieder erholen kann. Ist es das Know-how beim Geschichtenerzählen, die Spitzentechnologie bei Ton und Bild, sind es die Stars, oder ist es vor allem das investierte Geld? Dass Geld eine Rolle spielt, kann man nicht leugnen: sowohl die Beträge, die in die Herstellung der Filme gesteckt werden – häufig unvorstellbare Summen –, als auch die schon am Eröffnungswochenende in die Millionen gehenden Kinoeinnahmen, sobald formelhafte Filme mit ihren Sequels oder Prequels wie etwa SHREK (2001-07; R: Andrew Adamson u.a.), ICE AGE (2002-06; R: Chris Wedge, Carlos Saldanha), INDIANA JONES (1981-2008; R: Steven Spielberg) oder die Franchisefilme wie JAMES BOND (1962ff.; R: Terence Young u.a.), HARRY POTTER (2001-09; R: Chris Columbus u.a.) und THE LORD OF THE RINGS (Der Herr der Ringe; 2001-03; R: Peter Jackson) rund um den Erdball zirkulieren.
[Bild 2: ... und STAR WARS (Krieg der Sterne; 1977; R: George Lucas)]
Hollywood ist eine globale Industrie. Spätestens, seit es Mitte der 1920er Jahre zu einer »Weltsprache« wurde, ist es ein extern anpassungsfähiges und intern stabiles System, dessen Formen der Bildlichkeit und der Narration sich über viele Jahrzehnte entwickelt und, dank mehrerer Generationen hochspezialisierter Profis, immer wieder flexibilisiert und optimiert haben. Damit geht Hollywoods Macht über das Kino hinaus. Die Struktur der Fernsehnachrichten, die visuelle Sprache der Politik, die Werbung und das Design von Alltagsgegenständen ebenso wie die Vermarktung erstrebenswerter Lebensstile sind zweifelsohne vom amerikanischen Film geprägt, der einen Blick auf die Welt und Bedeutungskodierungen bietet, die über diesen oder jenen Filmtitel oder Star weit hinausgehen. Im Falle Hollywoods ist die Summe tatsächlich größer als die Teile, und doch sind es die Teile, die Filme (ja selbst die Filmfragmente: bestimmte Szenen, Dialogzeilen, Bilder), die am besten in Erinnerung bleiben, die »Klassiker«, die für das Ganze stehen (»Hollywood«). Weniger evident ist, in welcher Beziehung diese scheinbare Universalität der Bildsprache mit der Zirkulationslogik von Kapital und Gütern steht oder welche Rolle eine solche Verschränkung von materiellen Kräften und symbolischen Werten in den unterschiedlichen Prozessen der »Modernisierung« und nun der »Globalisierung« spielt, die so typisch für das 20. Jahrhundert als Ganzes gewesen sind. Einerseits geht es dabei um die Verfügbarkeit der Welt über ihre Bilder, andererseits aber auch um das Gedächtnis, das sich diese Welt in den bewegten Bildern schafft, die immer realer und substanzieller zu werden scheinen, je mehr die Realität, die sie abzubilden vorgeben, von den Bildern aufgesogen und schon in der Gegenwart zur reinen »Erinnerung« wird.
Deshalb gibt es auch ein Hollywood neben dem Geld und hinter dem Geld. Treffen sich Menschen zufällig, kommen sie früher oder später auf Filme zu sprechen: Das populäre Mainstreamkino ist zu einer Art lingua franca geworden, ein Esperanto der Weltkultur, in dem nicht nur junge Menschen miteinander kommunizieren, Erfahrungen (mit)teilen und sich kennenlernen. Lieblingsfilme sagen viel über Vorlieben und Abneigungen aus; sie zeigen, welchen Sinn für Humor oder allgemeine Einstellung zum Leben wir haben. Nicht zuletzt weil die Reaktion auf einen Film etwas sehr Persönliches, ja sogar Intimes ist, handelt es sich dabei um ein Barometer des Lebensgefühls, und doch kann das Reden über Filme zugleich eine Art Zugehörigkeit schaffen, wie flüchtig oder temporär auch immer. Daher ist das Bemerkenswerte an unserer heutigen Filmkultur die Sichtbarkeit des Kinos, nun nicht mehr nur im Kinosaal und auf der großen Leinwand, sondern in fast allen Lebensbereichen, verbal und visuell. »Kino« ist zu einem Bedeutungsraum geworden, einem kulturellen Referenzpunkt und einer weithin geteilten Erfahrung. Im neuen Jahrhundert verursacht die negative Vorstellung, Kino sei nichts anderes als ein Massenbetrug für die junge Generation, kaum mehr als ein Kopfschütteln: Hollywoodfilme von heute sind »Fakes« nur in dem Sinn, dass die Augen Bilder sehen, die der Verstand fast nicht mehr fassen kann, aber von denen man sich gerne in Erstaunen versetzen lässt; Fantasiewelten, die faszinieren, selbst wenn sie einem die Haare zu Berge stehen lassen. Und die idealisierten Selbstbilder und unerreichbaren Rollenmodelle wirken als Möglichkeitsformen des eigenen Seins wie bewusstseinserweiternde Drogen, ohne die man nicht mehr auskommen möchte. Andererseits gehört das Kino so zur städtischen Umwelt, dass ein neuer Film genauso selbstverständlich wahrgenommen wird wie jedes andere Konsum- und Kulturgut, ob Musik oder Mode, Auto oder Mobiltelefon, das von der Neuheit lebt. Man informiert sich, hat Meinungen und Vorlieben, kann mitreden und weiß Bescheid. Mehr ist es nicht, aber das ist auch nicht wenig. Wenn eine frühere Generation ein epistemologisches Interesse am Film zeigte (das dieser selten, wenn je befriedigen konnte), geht es heute eher um ein ontologisches Verständnis: das Kino als Welt der Möglichkeiten, und damit – zumindest tendenziell – auch als Möglichkeit der Welt.
Betrachtet man das Kino aber »kritisch«, als eine aktuelle kulturell-ideologische Macht, so fällt auf, dass bei den Zuschauern ein extrem selbstbezogenes und narzisstisches Interesse am bewegten Bild auf der Leinwand Seite an Seite steht mit ebenso stark ausgeprägten sozialen Bedürfnissen des Dabeiseins, Dazugehörens und Mitteilens. Ersteres hat mit unserem legitimen und notwendigen Interesse an uns selbst zu tun. Letzteres mit unserem ebenfalls legitimen und notwendigen Interesse an uns selbst inmitten der Welt der Anderen. Während ein Film dem einzelnen Zuschauer oft genug als eine Art Spiegelbild gegenübertritt, entstehen aus der Aktivität des »Ins-Kino-Gehens« Gemeinschaften: loyale Gemeinschaften von Fans und Anhängern, spontane Gemeinschaften, die Sprachgrenzen und geografische Grenzen überschreiten, und imaginierte Gemeinschaften durch geteilte Fantasien und Aspirationen. Ein weiteres Paradox: Auch wenn wir wissen, dass das Kino nicht mit Realität und Realismus operiert, berührt es uns doch manchmal als eine der realsten und intensivsten Erfahrungen aller Realitäten, die wir überhaupt kennenlernen können. Das bewegte Bild besitzt eine besondere Art der Macht, uns mitzureißen, anzurühren oder aufzuwühlen, und noch immer scheint Hollywood das magische Rezept am besten zu kennen: Emotion kommt von motion, und die movies bewegen uns. Auch europäische Filme können intensive Erfahrungen generieren. Aber warum es nur wenigen gelingt, dieselbe Art der teilbaren Erfahrung anzubieten wie Hollywood, ist eine Frage, die vielleicht falsch gestellt ist, denn die Antworten überzeugen kaum. Sind europäische Filmemacher zu individualistisch, und mangelt es ihren Werken an mythologischer Resonanz? Sind ihre Filme der Selbstausdruck eines Individuums und daher zu hermetisch für ein breites Publikum? Übernehmen die »Amerikaner« (von denen bekanntlich in Hollywood eine nicht unbeträchtliche Anzahl aus England, Australien, Deutschland, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Taiwan und Neuseeland kommt) einfach künstlerisch das Beste aus dem (europäischen, asiatischen) Kino und verbinden dies mit ihrem eigenen kulturell abgesicherten feel good-Optimismus und can do-Pragmatismus? Die Filmwissenschaft – eine Disziplin, die, wie oben angedeutet, aus einer Mischung aus Liebe zum Kino und deren Enttäuschung entstanden ist – hat die Pflicht, sich dem Verständnis solcher Paradoxien zu widmen: die Dominanz Hollywoods auf dem Weltmarkt nicht nur vom Geld und vom »Kulturimperialismus« her zu erklären, sondern auch seiner offensichtlichen Adaptionskraft und »Einfühlung« Rechnung zu tragen, zu einer Zeit, in der andere nationale Kinematografien (oder besser: nationale Filmindustrien, vor allem in Europa) so viel unflexibler reagiert haben.
Tradition und Innovation: Die Erfolgsformeln
Die Frage nach der fundamentalen Robustheit Hollywoods kann sehr verschieden beantwortet werden: als Phänomen von welthistorischer kultureller Bedeutung – vergleichbar mit der griechischen Mythologie oder den mittelalterlichen Kathedralen –, dem wir aber zu nah sind, um es als solches wahrzunehmen. Als Ausdruck der ökonomischen Hegemonie und politischen Vormachtstellung der USA – der Pax Americana oder dem American Century –; als Konsequenz von Hollywoods besonderem Produktionssystem, das schon immer »postindustriell« organisiert war und von Anfang an das Prinzip des cultural clustering handhabte, wie man es von den neuen Hightech-Industrien des Silicon Valley oder der Industrieparks kennt. Schließlich weist die Standfestigkeit auf die Universalität seines Darstellungsmodus des Classical Hollywood Cinema, hin, der es – wie der englische, französische und russische Roman im 19. Jahrhundert – in einer komplizierten Verschränkung von Kunstform, Handwerk, Technologie und Markt verstanden hat, die Welt so zu gestalten, dass sich die Nation selbst wiedererkennt (beim Roman tat sie das im Selbstbild einer Klasse).
Das vorliegende Buch will weniger diese Faktoren im Einzelnen untersuchen: Dazu gibt es inzwischen genug fundierte Untersuchungen, die weiter unten und passim zu Wort kommen. Vielmehr soll es in einer Reihe von Fallstudien um die Frage gehen, inwieweit das Hollywoodkino seit den späten 1970er Jahren weiterhin an seinem Selbstbild arbeitet, wie es sich also über den Marktmechanismus mit seinem Publikum verständigt, wie es, indem es die jeweilige Spitzentechnologie absorbiert, an deren Innovationspotenzial teilhat und wie es über die Variation mehr oder weniger klassischer Erzählformen deren dialogisches Verhältnis zur Gesellschaft und »Verführung zum Zeitgeist« lebendig erhält.
Anders ausgedrückt, das Hollywoodkino ist konservativ, aber deswegen nicht notwendigerweise reaktionär, das heißt, es ist einem Selbstverständnis repräsentativer, öffentlicher Kunst (was in den USA nun eben entertainment bedeutet) verpflichtet, steht aber unter einem permanenten Erneuerungs- und Innovationsdruck, sich auf Tendenzen und Trends nicht nur im Geschmack und der Mode einzulassen, sondern auch auf Veränderungen im Lebensgefühl, in der Altersstruktur und der Konfliktbereitschaft seines Publikums einzugehen. Diese Spannung zwischen systemstabilisierend und systemerneuernd ist schwer auf einen Nenner zu bringen und schon gar nicht mit dem Transgressionsbegriff der Avantgarde oder den Kriterien der Kunst- und Literaturkritik des 20. Jahrhunderts beschreibbar, die Innovation als formales Experiment, Kunst als interesselose Hingabe des Rezipienten wie des Künstlers und gesellschaftliches Engagement als Nein zum Bestehenden versteht – was voraussetzt, dass der Künstler sich selbst und seine künstlerischen Mittel fortwährend infrage stellt. Eher schon ließe sich auf das Vokabular des industriellen Designs zurückgreifen, das auch auf den Rezipienten als Konsumenten zugeschnitten ist, dabei aber den Interessen der Firmen, den Entwicklungen der Technologie und der gesellschaftlichen Akzeptanz Rechnung trägt und diese gleichzeitig mit Formschönheit, Effizienz, Verlässlichkeit und den von Markennamen ausgehenden Assoziationen in Einklang bringen muss. Welchen Merkmalen des Hollywoodkinos diese Werte im Einzelnen entsprechen, müsste gesondert untersucht werden: Ich bin mir sicher, dass sich damit manches erhellen ließe, auch wenn der Vergleich natürlich nicht ganz aufgeht. Zwar entsprechen die klassischen Erzählstrukturen und die relative Stabilität der Genres dem Denkmodell »Design«, aber ein herausragendes Merkmal des Hollywoodfilms, nämlich seine Dialogfähigkeit – beim Verhandeln von gesellschaftlichen und privaten Konfliktstoffen ebenso wie mit der mehrdeutigen, sich ganz verschiedenen Zuschauergruppen öffnenden Symbolsprache –, hat im Design wenig Entsprechung.
Ein Merkmal der Flexibilität im positiven wie im negativen Sinne ist, dass Hollywood sich erneuert, indem scheinbar alles beim Alten bleibt, dass also das Neue sich im Vertrauten tarnt oder umgekehrt alter Wein nur in neue Schläuche gegossen wird. Eine solche Annahme bestätigt sich, wenn man den Niedergang in den 1960er und den Aufschwung in den 1980er Jahren institutionell und wirtschaftlich erklären will. Wie noch zu zeigen ist, hat Hollywood in den 1990er Jahren zu den Formen der Selbstregulierung und der Monopolbildung zurückgefunden, die die Stärke des Studiosystems in den 1930er und 1940er Jahren ausmachte. Erreicht wurde dies, indem Hollywood einen Teil seiner Außenseitergeneration zu Insidern gemacht hat, ihre Form- und Bildersprache gebändigt und technisch perfektioniert hat und die Management- und Businessmodelle der global economy auf die Medienproduktion zugeschnitten hat. Weshalb dann nicht annehmen, dass auf der Ebene der Bilder und Geschichten dasselbe zutrifft? Zwar verschieben sich die Akzente: Der Stil passt sich den neuen Technologien an, die Produktionsweise verlagert sich auf die post production und damit in die digitalen Montageräume, in die Special-Effects-Betriebe und in das digitale Soundstudio. Aber in den mythologischen Grundmustern werden nach wie vor dieselben ödipalen Initiationstests bestanden, in den romantic comedies dieselben boy meets girl-, boy loses girl-, boy gets girl-Paarungsrituale durchgespielt.
Dieser Auffassung soll hier zunächst nicht pauschal widersprochen werden. An exemplarischen, doch nicht per se repräsentativen, sondern eher symptomatischen Einzelfällen muss sich zeigen, was in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten, seit New Hollywood, im Inneren der klassischen Form in Bewegung geraten ist, wozu ein Wandel der Wahrnehmung und der Rezeptionshaltung der Zuschauer ebenso zählt wie stilistische oder narrative Veränderungen in den Filmen. So funktioniert auch der vielgeschmähte psychologische Realismus anders als in den 1950er Jahren, und anders, als man ihn vom europäischen Kino kennt und erwartet, wo er »Wirklichkeit« abbildet oder reflektiert. Realismus im heutigen Hollywoodkino ist im buchstäblichen Sinn Teil des Designs, äußerliche Form: Detailtreue und Authentizität gibt es genauso im Fantasyfilm wie im urban crime thriller, im Kostümdrama wie im Kriegsfilm. Doch wer dabei nur von Simulation spricht, greift zu kurz, weil so das epistemologische Interesse am Abbildrealismus und der ästhetische Wert des Neuen und Originalen verabsolutiert wird. Andererseits: Fast alle Kritiker, vor allem diejenigen, die Hollywoodfilme nicht mögen, greifen zum Interpretationsschema der Allegorie, wenn sie deren Zeit- und Wirklichkeitsbezug analysieren, und in den meisten Fällen ergeben sich erstaunlich direkte Analogien, wie man in den Diskussionen um Hollywood, 9/11 und Katastrophenfilme gut beobachten konnte. Zu direkt, möchte man sagen, denn die Deutung der Allegorie als Eins-zu-Eins-Entsprechung der Wirklichkeit wird den Bedeutungs- und Bezugsebenen des Hollywoodfilms nicht gerecht.
Deshalb gehen die folgenden Kapitel anders vor. Weder die Zeitbezüge werden an den Filmen herausgearbeitet, noch steht die Autonomie (oder Poetik) der Stilmittel im Zentrum. Um die Semantiken, die Dialog- und Möglichkeitsformen, ja sogar die utopischen Vorstellungen und zuweilen tragischen Einsichten, die heutige Hollywoodfilme vermitteln können, herauszuarbeiten, braucht man sie nicht als experimentell zu begreifen oder ihnen avantgardistischen Status anzudichten. Stattdessen wird ein ganz anderes Bezugsfeld herangezogen, als Folie und Rahmen, aber auch als Reibungselement: das der »Theorie«, wie sie in der universitären Filmwissenschaft ebenso wie in den anderen Geisteswissenschaften gehandhabt wird. Wenn aber der Strukturalismus, die Psychoanalyse, die Dekonstruktion, die Cultural Studies neben Foucault, Deleuze und Žižek zitiert werden, so nicht als interpretatorische Wahrheit oder als der Weisheit letzter Schluss, sondern perspektivierend: um zu zeigen, wie vielfältig der Einstieg und Zugang zu den einzelnen Filmen sein kann, die in ihrer Vielschichtigkeit zwar mehrdeutig, aber nie inkohärent sind. Dabei liegt der Nachdruck einerseits auf den Genres, die dem amerikanischen Kino seine äußerlichen Kontinuitäten liefern, andererseits auf der Handlungsmacht des Helden oder der Heldin. Anhand der in den Genres vorgegebenen Storyelementen und des Repertoires an Figuren und Erzählmustern sollen subtile Verschiebungen aufgespürt werden, die einen Eindruck von der Zeitnähe des aktuellen Hollywoodkinos nicht im Sinne des Abbildrealismus, sondern in seiner Symptomfunktion vermitteln können. Die Filme als Symptome zu entziffern, die (eher implizit gestellten) Rätsel zu entschlüsseln, auf das Angebot an die Zuschauer zum Dialog einzugehen – all dies stellt allerdings besondere Herausforderungen an die Interpretation. Das macht die Exkurse in die Filmtheorie vielleicht nicht unumgänglich, doch erlauben diese, die hier vorgetragenen Lesarten methodisch zu explizieren und die manchem als eigenwillig erscheinende Hermeneutik kritisch zur Diskussion zu stellen.
Nicht alle gängigen Genres des heutigen Hollywood werden berücksichtigt: Action, Horror, Film noir sind vertreten, ebenso die Teenagerkomödie und der Vietnam-Film, aber romantic comedy, Fantasy, Science-Fiction und Animationsfilme fehlen. Im Zweifelsfall schien es wichtiger, bestimmte Filme exemplarisch »anders« zu lesen, als alle Genres abzudecken. Auch geht es nicht um eine Übersicht der aktuellen Produktion, sondern um Stichproben, über die auf besondere Merkmale in der Bildsprache, der Figurenkonstellation und der Narration hingewiesen werden soll. Für diese Veränderungen wird wiederum nach allgemeineren Begriffen gesucht, die der sich wandelnden Funktion des Kinos im öffentlichen Raum ebenso wie dem Verhältnis zum Zuschauer Rechnung tragen können. Gleichzeitig verstehen sich die Interpretationen der Filme als Beitrag und Meta-Kommentar zu den aktuellen Diskussionen um das Reizwort »Hollywood« in Filmkritik und Filmwissenschaft.
Zum Einsatz kommen dabei eine Reihe formaler, stilistischer und weltanschaulicher Unterscheidungen, allen voran die zwischen sogenannten klassischem und postklassischem Hollywood. Darauf wird in diesem Kapitel noch zurückzukommen sein; die Unterschiede sind aber hauptsächlich in den Analysen von DIE HARD (Stirb langsam; 1988; R: John McTiernan) und BRAM STOKER’S DRACULA (1992; R: Francis Ford Coppola) eingehend behandelt. Der Begriff des postmodernen Kinos – und die von mir (als Gegensatz nur halb im Scherz) eingeführte Neuschöpfung »post-mortem«-Kino – taucht in den Kapiteln zu PULP FICTION (1994; R: Quentin Tarantino) und MEMENTO (2000; R: Christopher Nolan) auf, spielt aber auch im methodischen Kapitel zu DIE HARD eine Rolle. Die Begriffe »postklassisch«, »postmodern« und »post mortem« fließen schließlich in eine weitere, übergreifende Genrebezeichnung ein, die des mindgame movies, der eher eine Tendenz des internationalen Kinos als ein Hollywoodgenre bezeichnet, aber in seinen Implikationen des Spiels, der Ontologien des Möglichen und des Rätsels für diese Studie von besonderer Symptomatik ist.
Die auf den ersten Blick verwirrende Vielfalt von Definitionen, Termini und Begriffen rekapituliert einerseits den Diskussionsstand innerhalb einer Filmwissenschaft, die sich an der angloamerikanischen Forschung orientiert und die dem Umkreis der allgemeinen Debatten in den geisteswissenschaftlichen Fächern zu Moderne und Postmoderne entstammt. Andererseits dienen die Neuschöpfungen auch dazu, die Aufmerksamkeit auf die Paradoxien des heutigen Unterhaltungskinos zu lenken: seine Ich-Bezogenheit und sein Wir-Gefühl, seine zeitlose Formelhaftigkeit und seine oft brisante Zeitnähe, seine weltweite Verbreitung und allgemeine Akzeptanz und seine Verarbeitung gesellschaftlichen Konfliktstoffs bis hin zu Traumata und (symbolischem) Tod. Der weitere Horizont, der sich dabei auftut, hat mit einer noch tiefergreifenden Verlagerung dessen zu tun, was Kino heute bedeutet. War bis zum Zweiten Weltkrieg das Hauptproblem der Filmtheorie, ob Kino überhaupt Kunst sein kann (was für das europäische Autorenkino bejaht, für das Hollywood- und einheimische Stars- und Genrekino verneint wurde), so ging es nach 1945 vor allem um den Realitäts- und Wahrheitsgehalt des Kinos (in Form der Tiefenschärfe bei Jean Renoir und Orson Welles, in Form des Neorealismus bei Rossellini und De Sica – beide theoretisch unterbaut in den Essays von André Bazin und der französischen Nouvelle Vague). Ich habe dies oben das epistemologische Interesse am Kino genannt: Ausgegangen wurde dabei von der Annahme, dass der Film durch seine mechanische Wiedergabe und fotografische Registrierung einen in der menschlichen Geschichte einmaligen Erkenntniswert als Realitätsindex und Gedächtnisspur besitzt. Auch hier zog der Hollywoodfilm den Kürzeren: im Studio gedreht, mit Versatzstücken des Lebens, als pure Unterhaltung nur der Zerstreuung dienend. Eine Ausnahme bildeten die Autoren, von denen behauptet wurde, sie könnten als Künstler auch im Hollywoodkino ihrer Persönlichkeit Ausdruck verleihen, was sie für den traditionellen Kunstbegriff rettete. Selbst in der darauffolgenden Kritik am Bazin’schen Realismus-Begriff, wie sie zunächst in der semiotischen Wende und dann in der Kritik am Illusionismus formuliert wurde, blieb diese epistemologische Sichtweise erhalten – nur eben ins Negative gewendet: der Hollywoodfilm spiegele eine durch und durch konstruierte Welt als »zweite Natur« vor, er halte den Zuschauer gefangen in der Ich-Spaltung des begehrenden Subjekts, er stabilisiere den männlichen Zuschauer und seine ödipale Identität auf Kosten des Bilds der Frau, die zum Objekt des voyeuristischen Blicks und Opfer der fetischisierenden Darstellung ihrer Weiblichkeit als idealisierte Mutter oder Femme fatale werde. Dabei wurde unterstellt, dass es eine korrekte Abbildung der Wirklichkeit und eine nicht-diffamierende Darstellung der jeweiligen Personengruppe oder Minorität geben könnte und müsste, an der gemessen das Hollywoodkino ideologische Fälschung trieb. Auch hier also wurde das Kino im Hinblick auf seinen Erkenntniswert beurteilt, wobei gerade sein ästhetischer Reiz (des schönen Scheins, des Spiels mit der Illusion, der Schaulust) als besondere Verblendung abgestraft wurde.
Die Essays in diesem Buch stellen die Frage, ob es beim Kino nicht auch um eine andere als die cartesianische Erkenntnis gehen kann, deren Träger dann nicht allein das Auge, sondern alle Sinne wären, und um eine Art der Erfahrung, bei der das Kino anders erlebt würde als in der Subjekt-Objekt-Trennung von Betrachter und Bild mit dem Spannungsfeld der Projektion, Introjektion und Ich-Bildung. Ich habe dies etwas pauschalisierend das ontologische Potenzial des Kinos genannt, das Parallelen (nicht aber Deckung) aufweist mit einem wiedererwachten Interesse an der Phänomenologie des Films und mit den verschiedenen Theorien der »Verkörperung« der Wahrnehmung und der Sinneserfahrung. Drei Aspekte der Kinoerfahrung sind dabei besonders geeignet, die Dominanz des Auges und des Blicks und damit auch die Position des Zuschauers als eines in seiner Subjektivierung fixierten Gefangenen des Apparats auszuhebeln und neu zu bestimmen. Diese drei Aspekte sind der Körper, die Zeit und die Handlungsmacht, wobei jeder in einem besonderen Verhältnis zu den anderen beiden steht, sie also nur zum Zweck der Begriffsbestimmung voneinander getrennt werden können. Im nächsten Kapitel werden sie deshalb im engen Zusammenhang anhand einer Diskussion aktueller Genretheorien genauer untersucht. Auch in den anderen Kapiteln spielen diese Aspekte jeweils eine voneinander abhängige Rolle: Zeit – als nichtlinearer Vektor der Identität, als traumatische Zeit der Wiederholung und als Kausalbezüge umkehrende Nachträglichkeit – ist zentral in BACK TO THE FUTURE (Zurück in die Zukunft; 1985; R: Robert Zemeckis), FORREST GUMP (1994; R: Robert Zemeckis) und MEMENTO, ist aber auch von Belang in CHINATOWN (1974; R: Roman Polanski) und DRACULA. Um Körper, Haut, Fleisch, Blut, Sinne und Körpergrenzen geht es vor allem in THE SILENCE OF THE LAMBS (Das Schweigen der Lämmer; 1991; R: Jonathan Demme) und wiederum DRACULA, ebenso in DIE HARD und MEMENTO. Handlungsmacht, Autorität und Action werden in DIE HARD und CHINATOWN thematisiert und bekommen eine besondere Wendung in FORREST GUMP und MEMENTO. Gleichzeitig stehen die drei Aspekte nicht auf demselben Abstraktionsniveau. Insbesondere die Idee der Handlungsmacht bedarf einer genaueren Analyse, denn die sich ändernde Vorstellung vom Helden (und Antihelden) im amerikanischen (wie auch im übrigen Welt-)Kino zieht sich als roter Faden durch fast alle Kapitel und wird zu einer Art Barometer für die Mutationen, um die es hier gehen soll.
Zunächst aber sollen die äußeren, also institutionellen, ökonomischen und juristischen Rahmenbedingungen beschrieben werden, unter denen sich die Veränderungen vom klassischen Hollywood zum New Hollywood und vom New Hollywood zum New Economy Hollywood und damit zum »Hollywood heute« vollzogen haben.
[Bild 3: Startschuss für New Hollywood: Faye Dunaway und Warren Beatty in BONNIE AND CLYDE (1967; R: Arthur Penn)]
New Hollywood: Ewige Wiederkehr des Gleichen?
Anfangs wurden mehrere mögliche Erklärungsmuster skizziert, warum Hollywood seine weltweite Vormachtstellung schon seit fast einem Jahrhundert behaupten kann. Doch wie schon angedeutet, gab es auch Momente, an denen es schien, dass nicht nur Hollywood, sondern das Kino überhaupt kaum noch Überlebenschancen habe. Dieser Tatbestand wiederum führte zu neuen Periodisierungen der Kinogeschichte, die sich von den üblichen Zweiteilungen – Stummfilm/Tonfilm, Film als Kommerz/Film als Kunst – unterschieden. Den größten Zeitraum belegt das »klassische Hollywood« etwa von 1917 bis 1967, dem der »frühe Film« (1896 bis 1916) vorangeht und »New Hollywood« (1967-1975) folgt. Abgesehen von dem hier nicht diskutierten Versuch, die klassische Phase als Intermezzo zu betrachten und stattdessen den frühen Film und das postklassische Kino als »Kino der Attraktionen« ins Zentrum zu rücken, bietet sich vor allem eine Periodisierung an, die »New Hollywood« als zentrale Umbruchstelle begreift: In dieser kurzen Epoche in den 1970er Jahren, als das alte Studiosystem in voller Auflösung begriffen war, schien die Experimentierfähigkeit des amerikanischen Kinos an einem Höhepunkt zu sein. So wurde die Zeit zwischen 1967 und 1975 schnell zum goldenen Zeitalter eines »anderen« Hollywood deklariert, das eher dem europäischen Autorenkino nacheiferte – oder zumindest dem Hollywood der Autoren, wie es in den zehn Jahren zuvor aus europäischer Sicht neu bestimmt wurde. Demnach begann New Hollywood mit BONNIE AND CLYDE (1967; R: Arthur Penn), THE GRADUATE (Die Reifeprüfung; 1967; R: Mike Nichols), EASY RIDER (1969; R: Dennis Hopper), 2001: A SPACE ODYSSEY (2001: Odyssee im Weltraum; 1968; R: Stanley Kubrick) und endete mit Roman Polanskis CHINATOWN (1974), Robert Altmans NASHVILLE (1975) und Martin Scorseses TAXI DRIVER (1976). Ob zufällig oder nicht, diese knappe Dekade war auch die Zeit der heftigsten sozialen und politischen Auseinandersetzungen, die die Vereinigten Staaten seit der Depression in den 1930er Jahren erlebt hatten. Zwischen der Ermordung Martin Luther Kings im April 1968 und dem Rücktritt Richard Nixons im August 1974 durchlebte Amerika eine Periode intensiver kollektiver Sinnsuche, die von einem offenen Generationenkonflikt und bitteren Kämpfen um sozial progressive Ideen und Emanzipation sowie dem Geschlechter- und »Rassen«-Konflikt2 getragen wurde. Die Proteste gegen den Vietnamkrieg, die Bürgerrechtsbewegung und das Erstarken des Feminismus brachten eine völlig neue politische Kultur hervor, die sich auch in einer Welle von Filmen manifestierte, von denen viele zwar beim Massenpublikum wenig Erfolg hatten, im (retrospektiven) Urteil der Kritik aber kühn, kreativ und überaus zeitnah waren. Das Paradox von New Hollywood bestand darin, dass der enorme Vertrauensverlust der Nation, ihre Selbstzweifel, ob »Leben, Freiheit, die Suche nach dem Glück (und Gerechtigkeit für alle)« noch amerikanische Ideale sein könnten, den Elan einer ganzen Reihe junger Filmemacher zu beflügeln schien. Die Filme dokumentieren die moralische Bankrotterklärung des Middle America (ehe dieses mit Ronald Reagan wieder konservativ-fundamentalistisch aufrüstete), und sie taten es mit einer Freiheit im Stil und einem Mut zum formalen Bruch, der viel mit der Pop-Art und der populären Musikkultur gemeinsam hatte. New Hollywood brachte ziellose, oft (selbst-)zerstörerische Antihelden auf die Leinwand, deren Handlungsmacht zwischen Rebellion und Aussteigerdasein wechselte und deren treibend-getriebene Grundeinstellung im Genre der Road Movies ihre passende Verkörperung fand, wobei oft ungewöhnliche Schauplätze einen besonders augenfälligen Reiz besaßen, selbst – besonders – in ihrer unglamourösen Alltäglichkeit. Ein ganz neues Amerika geriet dank der Arbeiten von Monte Hellman (TWO-LANE BLACKTOP), Bob Rafelson (FIVE EASY PIECES), Hal Ashby (THE LAST DETAIL), Jim McBride (DAVID HOLZMAN’S DIARY), Peter Bogdanovich (THE LAST PICTURE SHOW), Jerry Schatzberg (PUZZLE OF A DOWNFALL CHILD), Terrence Malick (BADLANDS), James Toback (FINGERS), John Boorman (POINT BLANK, DELIVERANCE) und Dennis Hopper (THE LAST MOVIE) [3] in den Blick: Hier begab man sich in ländliche Hinterwälder, schäbige Motels, verkommene Industriestädte und bigotte Gemeinschaften im bible belt. Ehemals mondäne Urlaubsziele wie Atlantic City, deren Trostlosigkeit kaum zuvor mit einer solchen bildhaften Poesie gezeigt worden war, bevölkerten sich mit exzentrischen Charakteren; die Filme waren dabei durchdrungen von einer Liebe zur (Industrie-)Landschaft und einem sensiblen Gefühl für Stimmung und Atmosphäre, das selbst in Szenen der Gewalt oder der emotionalen Erstarrung eine ungeheure Solidarität mit den Menschen und ihrer Kreatürlichkeit zum Ausdruck brachte.
[Bild 4: Ziellose Antihelden im New Hollywood: Dennis Wilson, Laurie Bird und James Taylor in TWO-LANE BLACKTOP von Monte Hellman]
Wenn man rückblickend diesen Filmen ihre entscheidende Rolle beim Übergang zuerkennt, nimmt man damit auch einen gewissen Abstand von ihrer Verabsolutierung. New Hollywood kann nicht länger (nur) als Endpunkt der klassischen Studioepoche und als allzu kurze Blüte eines amerikanischen Autorenfilms nach europäischer Art gelten. Es war eine Zeit, in der ganz erstaunliche Talente, von widerstreitenden und oft sogar antagonistischen Kräften im US-Film getragen, ans Ruder gelangten. Wenn man nun diese Periode nicht als Endpunkt und Tod, sondern als Moment eines Generations- und »Regimewechsels« begreift, stellen sich die typischen Züge notwendigerweise widersprüchlich dar, denkt man an den Werdegang einiger Schlüsselfiguren, von Arthur Penn zu Peter Bogdanovich, von Dennis Hopper zu Jack Nicholson, von Stanley Kubrick zu Robert Altman. Die Umwälzungen, die sich in den 1970er Jahren in Hollywood vollzogen, waren in mancher Hinsicht ebenso folgenreich wie jene, die sich bei der Einführung des Tonfilms in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren ereigneten und die Struktur der Filmindustrie schneller veränderten, als die Filmform ihr folgen konnte: Genres und Stile brachen auseinander, und es entstanden Hybride, wenn nicht sogar unerwartet neue Prototypen und Zyklen. Ähnliches lässt sich seit den späten 1970er Jahren beobachten, als die Periode des Experimentierens mit unkonventionellen Themen und »realen« Schauplätzen scheinbar zu Ende ging und das Hollywoodkino mit Filmen wie THE GODFATHER (Der Pate; 1972; R: Francis Ford Coppola) und JAWS (Der weiße Hai; 1975; R: Steven Spielberg), STAR WARS (Krieg der Sterne; 1977; R: George Lucas) und THE EXORCIST (Der Exorzist; 1973; R: William Friedkin) nicht nur das große Geld machte, sondern auch wieder in die Studios einzog und sich der Stereotypen altvertrauter Genres bediente. Als die »digitale Revolution« Mitte der 1980er Jahre noch einmal für einen Innovationsschub ganz anderer Art sorgte, war die neue Technologie (wie schon in den 1930er Jahren) sicherlich nicht die einzige entscheidende Kraft. Wirtschaftliche, arbeitsökonomische, demografische und »globale« Faktoren, die das Hollywoodkino in die gigantische, weltweite Unterhaltungsmaschine von heute verwandelten, machten sich ebenfalls schon in den goldenen 1970er Jahren bemerkbar, oft an denselben Orten und gelegentlich sogar von denselben Personen betrieben, die an der vordersten Front des damals als »New Hollywood« gefeierten Trends standen. Ob man ihren Frontenwechsel nun als Kompromiss, Opportunismus oder sogar als Verrat bezeichnet, es ist nicht zu leugnen, dass Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, Steven Spielberg, George Lucas, Jack Nicholson, Warren Beatty, Clint Eastwood, Robert Redford oder Robert De Niro (neben anderen hinter den Kulissen wie Robert Evans, Steve Ross, David Geffen, Michael Eisner, Jeffrey Katzenberg) dem öffentlichen Bild des amerikanischen Kinos über mehrere Jahrzehnte ihren Stempel so stark aufgedrückt haben, dass ihre Entscheidungen, Fortschritte, Fehltritte und Spielereien eine Art Tagesordnung aufstellten, die einen Großteil der Dynamik hinter den Veränderungen von New Hollywood zum Hollywood heute bestimmte. Mit anderen Worten: Ihre Präsenz in den frühen 1970er Jahren als Außenseiter war nötig, um das vorzubereiten, was sie zehn Jahre später zum Establishment machen sollte.
Und doch sind die Veränderungen im amerikanischen Kino von den 1960er bis in die 1980er Jahre inzwischen scheinbar so gut recherchiert, dass eine »kanonische« Version dieser Geschichte vorliegt; darin spielen Individuen, wie brillant, begabt oder einzelgängerisch sie auch sein mögen, nur eine untergeordnete Rolle. In dieser Chronologie, die in den späten 1940er Jahren beginnt und bis in die späten 1980er Jahre andauert, stehen die gerade erwähnten Regisseure und Filme – und damit das Entstehen eines US-Autorenkinos nach europäischem Modell – bestenfalls als Ausnahme dar. Schlimmstenfalls sind sie ein kurzlebiger Störfaktor in dieser ansonsten logischen und weitgehend unproblematischen Geschichte der Kontinuitäten des amerikanischen Kinos mehr oder weniger seit seinen Anfängen.
Folglich erscheint aus dieser Sicht New Hollywood als ein Moment des Zögerns, während der Riesentanker der großen Unterhaltungskonzerne die Gangart wechselte und ein paar Jahre benötigte, um wieder auf Kurs zu kommen. Es war die Zeit, in der Europa sich seine verschiedenen neuen Wellen (auch finanziell) leisten konnte, so wie sich Amerika selbst New Hollywood leistete (dank panischer Studiochefs, die für kurze Zeit Neulinge aus dem Fernsehen und Außenseiter finanzierten). Thomas Schatz hat die kanonische Geschichte vielleicht am griffigsten zusammengefasst: »Die Filmindustrie durchlief drei recht deutlich konturierte jahrzehntelange Phasen nach dem Krieg – von 1946 bis 1955, von 1956 bis 1965 und von 1966 bis 1975. Diese Phasen unterschieden sich durch Entwicklungen sowohl innerhalb wie außerhalb der Industrie: der Übergang zur unabhängigen Filmproduktion, die veränderte Rolle der Studios [als Dienstleistungsbetriebe], das Entstehen des kommerziellen Fernsehens und [strukturelle] Veränderungen im amerikanischen Lebensstil und im Medienkonsum.«4
Die Filmhistoriker, die seit den späten 1980er Jahren das US-Kino der 1970er Jahre eingehend studieren – neben Thomas Schatz sind dies Janet Staiger, Kristin Thompson und David Bordwell, Douglas Gomery, Robert C. Allen, Janet Wasko, Tino Balio, Tim Corrigan, Jon Lewis und David Cook –, haben die hauptsächlichen Merkmale von New Hollywood in einen breiten historischen Rahmen gestellt, der meist ökonomische, industrielle, demografische und institutionelle Faktoren kombinierte. Die Ergebnisse sind unterschiedlich, doch herrscht generelle Einigkeit über den Verlauf der Geschichte von Hollywoods Niedergang und Aufstieg zwischen den späten 1950er und frühen 1980er Jahren. Manche Historiker haben den Talentagenturen als Produzenten (Lew Wasserman, David Geffen) und dem Aufstieg des package deal und seiner Verhandlungsführer (Barry Diller, Sumner Redstone) mehr Prominenz eingeräumt als den Schauspielern, Autoren oder Regisseuren. Sie haben die veränderten Besitzverhältnisse und die Managementpraktiken hervorgehoben, die nach mehreren Wellen von Übernahmen und Fusionen die (Aktiva der) großen Studios in die Hände von Großunternehmern wie Kirk Kerkorian, Ted Turner oder Rupert Murdoch brachten, ehe in den 1990er Jahren eine neue Fusionswelle (an der sich japanische, australische, französische und kanadische Firmen beteiligten) die amerikanische Medienlandschaft noch einmal gründlich umbaute. Andere haben auf die Veränderungen des institutionell- juristischen Rahmens hingewiesen, in dem das amerikanische Kino operiert: die erzwungene Trennung zwischen Studios und Kinoketten durch das Paramount-Urteil von 1948, Veränderungen der industrieinternen Selbstzensur in den späten 1960er Jahren (Aufheben des Hays Code, Revisionen des Freigabesystems), die laxere Handhabung der anti-monopolistischen Gesetzgebung unter Reagans Präsidentschaft, die in der Einstellung des Verfahrens gegen die Time-Warner-Fusion in den frühen 1990er Jahren gipfelte. Unterm Strich bleibt somit die These, dass Hollywood bis Mitte oder Ende der 1980er Jahre tatsächlich die Konsequenzen der Kartellzerschlagung von 1948 rückgängig gemacht und – in etwas anderer Form und in einem ganz anderen Medienumfeld – faktisch die (illegalen) Wirtschaftspraktiken, die einst allgemein als vertikale Integration bekannt waren, wiedereingeführt hatte: Die unternehmerische Zusammenführung von Produktionsstätten (Studios) und Produktionsmitteln (Stars, kreatives Personal), die Kontrolle über alle relevanten Systeme der Lieferung und des Vertriebs sowie der uneingeschränkte Zugang zu den wichtigsten Erstaufführungsorten (oder der Programmkontrolle über diese) gelangten wieder in die Hände einer kleinen Anzahl weltweit operierender (Multi-)Medienkonzerne. So hat Hollywood am Anfang des 21. Jahrhunderts seine weltweite Vormachtstellung wieder konsolidiert; eine Entwicklung, die verschiedentlich als »New New Hollywood«, »New Economy Hollywood« oder als »Global Hollywood« bezeichnet wird.
In der kanonischen Geschichte der Hollywood-Renaissance scheint sich also der Kreis zu schließen, eine Rückkehr zu den Anfängen stattzufinden. Der Status quo ante wird gemäß dem Schema der klassischen (Hollywood-)Erzählung erneuert, bei der sich ja auch am Ende der Anfang auf veränderter Grundlage wiederholt. Ende der 1980er Jahre war demnach ein Zustand des business as usual wieder hergestellt. Hollywood hatte einmal mehr seinen zutiefst konservativen Charakter demonstriert und bewiesen, dass es ein bemerkenswert (oder ärgerlich) stabiler und selbstregulierender Organismus ist. Seine Stärke, oder besser: sein »Genie des Systems« liegt nach André Bazins berühmt gewordener Formulierung »im Reichtum seiner immer wieder kräftigen Tradition und in seiner Fruchtbarkeit, wenn diese in Kontakt mit neuen Elementen kommt«5. Wer davon ausgeht, dass das amerikanische Kino um 1980 starb, dem mag dies zu optimistisch klingen, zu grob gestrickt erscheint es womöglich denjenigen, die es für angemessen halten, den Begriff des »Postklassischen« zu verwenden, weil sie einige subtile, aber trotzdem substanzielle Veränderungen bemerken. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass Praktiken wie die Aneignung von fremden Elementen, die Aufnahme von internationalen Talenten und das Inkorporieren von innovativen Techniken auch schon Teil von Bazins Definition des Klassischen waren6.
Mitte der 1970er Jahre (mit der Werbekampagne für JAWS als Durchbruch) setzte eine Entwicklung ein, in der Verleih und Vermarktung einmal mehr die Führung übernahmen, bis sich das System schließlich um Taktiken wie möglichst breite Filmstarts (saturation booking), koordinierte Termine und gezielten Einsatz an langen Wochenenden mit Feiertagen stabilisierte. Eine weitere Konsequenz des neuen Typus des event movie (meist mit dem seltsam anachronistischen Begriff Blockbuster bezeichnet) besteht darin, dass eine zweite Phase der Produktauswertung nun auf diversen Nebenmärkten stattfand: Fernsehen, Spielzeugläden, Unterhaltungselektronik, Themenparks und, seit den 1980er und 1990er Jahren, Videokassetten und DVDs. Dabei stehen die ersten Elemente der Auswertungskette – die Kinos (Filmpalast und Multiplex) – bereits von vornherein unter dem Einfluss der Sekundärmärkte der breiten Unterhaltungsindustrie, indem sie zu deren Poster- und Werbeflächen werden.
Diese Vermarktungs- und Aufführungspraktiken, unterstützt durch die digitalen Technologien der Bild- und Tonträger, verwandelten den großen Kinofilm in etwas, das oberflächlich unverändert erscheint – noch immer ist ein narrativer Spielfilm zwischen 90 und 140 Minuten die Norm –, und doch vollkommen anders ist, nicht zuletzt, weil nur noch 20 bis 30 Prozent der Gesamteinnahmen an der Kinokasse erzielt werden. Denn die 1970er Jahre waren auch das letzte Jahrzehnt des Kinos vor der Verbreitung des Videorecorders. Seit den 1980er Jahren gibt es zwar noch immer die großen Leinwände – tatsächlich wurden sie noch größer und opulenter –, doch ihre Funktion hat sich aufgeteilt: Sie sind Ort einer intensivierten Erfahrung, dabei zugleich auch »Screentest« für die anderen Verwertungen des Films, bei dem zunächst die Bilder (im wörtlichen wie im übertragenen Sinne) aufgeblasen werden, bevor sie wieder schrumpfen und sich in einer Vielzahl von medialen Absatzmärkten verlieren und schließlich in der Videothek oder als Downloads enden: zugleich Friedhof, Supermarkt und Dauerausstellung der universalen Filmkultur.
[Bild 5: Big Business: Filme als erstes Element von Verwertungsketten]
Ein Merkmal der Übergangsperioden und Umbruchsphasen in Hollywood ist die enge Verquickung von Genre und neuer Technologie: das lässt sich an der Geschichte des Musicals (Tontechnologie) ebenso zeigen wie beim Western und den Epen (Technicolor und Breitwand). Auch bei der Einführung des digitalen Tons Mitte der 1970er Jahre und der digitalen Special Effects ein Jahrzehnt später gab es bestimmte Genres, die diese Technologien besonders wirksam in Handlungsmotive umsetzen konnten: vor allem der Kriegsfilm, der Horrorfilm, der Film noir und das Science-Fiction-Epos. Daneben fällt an der Rückkehr zum Genrekino seit den 1980er Jahren die Tendenz zur Hybridisierung auf: ein (Anti-)Kriegsfilm wie APOCALYPSE NOW mischt mehrere Genres, darunter den Western, und übernimmt vom Horrorfilm bestimmte Bildschnitte und Tonmontagen; ein Science-Fiction-Film wie BLADE RUNNER hat viel gemeinsam mit dem Film noir, Thriller wie BASIC INSTINCT ähneln stellenweise dem Pornofilm, Neo-Noir verträgt sich mit body horror, und der Actionfilm bekommt Züge des Melodrams. Ebenfalls bemerkenswert ist die ästhetische Auf- und Wiederverwertung von ehemaligen B-Genres, Exploitation-Filmen und Fernsehformaten der 1950er Jahre (Twilight Zone [USA 1959-64], Polizeiserien oder G-Men). Regisseure wie Robert Altman oder Monte Hellman, Bob Rafelson oder Hal Ashby wiederum hatten eine betont kritische Haltung gegenüber Genres, sie machten eher Anti-Western, Anti-Musicals und Anti-Gangsterfilme, als dass sie die alten Formeln mit neuen Technologien aufpolierten, wie man das bei Spielberg, Coppola oder Lucas beobachten konnte. Genre-Mutationen gehören also zu den Markenzeichen des New-Economy-Hollywood und bestätigen auf ihre Weise den schon erwähnten Zug des amerikanischen Kinos, der scheinbar dem Autorenfilm und seinem Ethos der künstlerischen Selbstverwirklichung entgegengesetzt ist, nämlich das »Erfinden« des Alten im Neuen und umgekehrt: die Permanenz und Robustheit des Hollywoodsystems selbst in Zeiten großer sozialer Veränderungen und rasanter industrieller Transformationen. Doch Genres und ihre erstaunliche Anpassungsfähigkeit sind auch ein Index dafür, wie das Mainstreamkino nationale Stimmungen und Befindlichkeiten sowohl aufgreift wie abfedert und wie durchlässig es für politische Auslegungen ist, die den Genre-Mythen und typisch amerikanischen Themen zugeschrieben werden. Hier nun soll eine dieser »konstanten Variablen« genauer untersucht werden: Was lässt sich ablesen an einer wichtigen Größe im amerikanischen Genrefilm, dem Actionhelden und seiner Handlungsmacht?
Der Actionheld in Schwierigkeiten
In Steven Spielbergs MINORITY REPORT (2003) gibt es ein Hightech-Programm zur Verbrechensbekämpfung, das Morde vorhersehen und somit, bevor sie begangen werden, verhindern kann. Eines Tages sieht sich der das Präventionsprogramm leitende Offizier John Anderton (Tom Cruise) selbst mit einem Indiz konfrontiert, das ihn als Verdächtigen eines zukünftigen Verbrechens benennt. Er hält sich für unschuldig an der zukünftigen Tat, gleichzeitig aber hält er das System für unfehlbar. Anderton hat keine andere Wahl als unterzutauchen, um die (für ihn) offenkundige Inkonsistenz des Präkognitionsprogramms (Pre-Cog) zu untersuchen. Doch im Laufe seiner Ermittlungen steht er sich plötzlich dem Mann (Mike Binder) von Angesicht zu Angesicht gegenüber, der einige Jahre zuvor seinen siebenjährigen Sohn entführt und vermutlich getötet hat. Was soll er nun tun? Ihn erschießen und der Voraussage der Pre-Cogs recht geben, indem er sich selbst ein Mordmotiv gibt, von dem er nicht wusste, dass er es hatte? Ihn verschonen und so denjenigen ungestraft gehen lassen, der die erschütterndste Tragödie zu verantworten hat, die ihm je widerfahren ist? Ihn töten, um den Ruf des Pre-Cog-Programms zu »retten«, in das er all seinen beruflichen Stolz investiert hat (und von dem er annimmt, dass es von Gegenspielern innerhalb der Regierung sabotiert wird), auch wenn das bedeutet, ins Gefängnis zu gehen? Oder ihn gehen lassen, weil das Beweismaterial, das darauf hindeutet, dass dieser Mann der Mörder seines Sohns ist, vielleicht gefälscht wurde und man ihm folglich eine Falle stellt, in die er nach dem Willen seiner Feinde tappen soll? Die an sich nächstliegende Option – den Mann festzunehmen und ihn der Polizei zu übergeben, ihn also der symbolischen Ordnung zu überstellen – steht ihm hier nämlich nicht offen. Wenn wir diese Prämisse des Films akzeptieren, dann ist Andertons Dilemma ein Fall von »tun oder lassen, du kannst nur verlieren« (damned if you do, damned if you don’t), in dem Beweggründe, kausale Verknüpfung und Handlungsmacht sich wechselseitig blockieren: Jede neue Schicht möglicher Erklärungen über das Wesen dieses Aufeinandertreffens schafft nur ein immer dichteres Netz hypothetischer Prämissen und unbewiesener Vorannahmen.
Man kann MINORITY REPORT in dieser Hinsicht mit Hitchcocks NORTH BY NORTHWEST (Der unsichtbare Dritte; 1959) vergleichen, in dem Roger O. Thornhill (Cary Grant) von der Polizei für einen Mord gesucht wird, den er nicht begangen hat, und von einer Bande von Spionen für ein Geheimwissen gejagt wird, das er nicht hat. Obwohl er seiner Identität (weil er für einen Mr. Kaplan gehalten wird) und sogar seiner Daseinsberechtigung beraubt ist (denn es stellt sich heraus, dass »Mr. Kaplan« gar nicht existiert), macht er dank seines Charmes eine junge Frau (Eva Marie Saint) zu seiner Gehilfin – um schließlich doch nur herauszufinden, dass diese mit den Verbrechern im Bunde ist. Auch in Hitchcocks Film werden verschiedene Schichten von Voraussetzungen und Vorannahmen abgetragen, ehe der Held schließlich vom »Professor« (Leo G. Carroll) erfährt, dass ihm der Mord mehr oder weniger zufällig vom FBI in die Schuhe geschoben worden ist. Die Frau ist in Wirklichkeit eine Doppelagentin, die nicht nur mit den Verbrechern, sondern auch mit dem Professor kooperiert, und sie beide werden nun als Köder benutzt, mit denen den Verbrechern eine Falle gestellt werden soll. In NORTH BY NORTHWEST blockieren oder suspendieren die double binds nicht Handlungsmacht; vielmehr werden sie durch zusätzliche Handlung aufgelöst. Diese ist dadurch motiviert, dass der Held eingeweiht und dazu aufgefordert wird, sich ganz auf das Doppelspiel, aus dem er zuvor ausgeschlossen war, und auf alle Gefahren, die es mit sich bringt, einzulassen.
Die beiden Beispiele geben einen Hinweis darauf, wie Hollywood narrative Fäden knüpft und löst und wie sich diese Fäden rund um Motivation, Determination, Macht, Autorität und deren sich wechselseitig hemmende oder verstärkende Wirkungen auf die Identität und agency des Protagonisten verschlingen und verknoten. Zufall, Koinzidenz und Kontingenz nehmen einen prominenten Platz ein, zumeist allerdings nur, um rückwirkend wiederangeeignet und im Dénouement als »Ursachen« nachträglich verbucht zu werden. Und doch gibt es Unterschiede: Cary Grants Dilemma wird durch zwei dem Protagonisten äußerliche und (was die Faktoren Täuschung, Verstellung und Machthierarchie anbetrifft) asymmetrisch miteinander verbundene Antagonisten verursacht: auf der einen Seite der Professor, hinter dem das FBI steht, und auf der anderen die von Vandamm (James Mason) angeführten Schurken. Wenn Tom Cruise dagegen das kleinere Übel wählen muss, so ist, anders als bei Cary Grant, diese Wahl von ihm selbst generiert, denn sie entspringt der zwiespältigen Situation seiner eigenen Person innerhalb unterschiedlicher Machtstrukturen: Einerseits ist da das Überwachungs- und Kontrollsystem, bei dessen Installierung er selbst mitgewirkt hat, andererseits gibt es das unterdrückte Trauma und die Schuld, die er für den Tod seines Sohnes (und das daraus resultierende Scheitern seiner Ehe) empfindet. Da seine Zukunft ebenso in den Konflikt verstrickt ist wie seine Vergangenheit, geht es bei der ihm aufgezwungenen Wahl nicht nur darum, die eigenen Beweggründe wie die Folgen seiner Handlungen zu verstehen und die moralische Entscheidung zu treffen, entweder den höheren Mächten zu dienen oder sich ihnen zu verweigern. Das präventive, »geschlossene« Universum, in dem er sich befindet, stellt grundlegend die Vorstellung seiner Identität als Individuum in Zeit und Raum infrage und bedroht somit die Möglichkeit von Handlungsmacht selbst, wie wir sie normalerweise verstehen. Es sei denn, Kontingenz und Zufall (chance) erhalten die Möglichkeit (chance), einzugreifen.
Held und Handlungsmacht
MINORITY REPORT ist deshalb ein geeignetes Beispiel, weil er paradigmatisch für mehrere Filme im zeitgenössischen Kino steht, die in der einen oder anderen Form ihre eigenen Prämissen infrage stellen, Zweifel an der raumzeitlichen Identität ihres Protagonisten aufkommen lassen oder den Domino- Effekt von NORTH BY NORTHWEST ausweiten, indem sie ihn in einen stochastischen »Schmetterlings-Effekt« verwandeln. Neben jenem Film, der eben diesen Titel trägt – THE BUTTERFLY EFFECT (2004; R: Eric Bress / J. Mackye Gruber) –, kann man THE TRUMAN SHOW, TOTAL RECALL, THE GAME, CONTACT, TWELVE MONKEYS, THE SIXTH SENSE, VANILLA SKY, MEMENTO, FIGHT CLUB, THE MATRIX, LOST HIGHWAY, BEING JOHN MALKOVICH, THE JACKET, PRIMER, PAYCHECK, ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND7 und viele andere Filme nennen. Im letzten Kapitel dieses Buchs wird näher auf die mindgame movies einzugehen sein, aber vorläufig lassen sich folgende Gemeinsamkeiten nennen: Es herrscht eine Situation multipler Zeitlichkeiten vor (inklusive der Möglichkeit der Zeitreise); Unfälle, Koinzidenzen und Zufallsbegegnungen sind entscheidende Faktoren für die Motivation der Handlung; die Protagonisten verlieren entweder ihre Identität (beziehungsweise ihr Identitätsgefühl), oder es stellt sich heraus, dass sie gespaltene oder multiple Persönlichkeiten sind; die Filme erkunden die Paradoxien des Vorhersehens von Geschehnissen und präventiver Handlungen (und stellen somit auch philosophische Fragen über freien Willen und Determinismus); die Erzählung liefert entweder zweideutige Informationen oder bricht direkt den fiktionalen Vertrag (die suspension of Disbelief) und vereitelt so den Wunsch des Zuschauers, sich der Realität der Ereignisse zu versichern. Damit wird die Narration nicht einfach »unzuverlässig«, sondern treibt ein doppeltes Spiel, das den Dingen eine überraschende Wendung gibt, die zu einer nachträglichen Revision selbst der grundsätzlichsten Annahmen nötigt (zum Beispiel darüber, ob der Protagonist tatsächlich am Leben ist oder nicht).
[Bild 6: Actionheld in Schwierigkeiten: Tom Cruise in MINORITY REPORT]
Unter Filmwissenschaftlern, im Internet und bei Philosophen wird lebhaft diskutiert, wie sich das Aufkommen dieses Genres oder Subgenres kategorisieren oder gar erklären lässt. Im Kapitel zu MEMENTO wird erörtert, ob man dabei nicht mehr vom postmodernen, sondern vom »post-mortem«-Kino sprechen sollte. Hier wäre festzuhalten, dass viele der Protagonisten der mindgame movies Formen zweideutiger oder fehlgeleiteter Handlungsmacht zeigen. Dies geschieht entweder aufgrund einer bestimmten Pathologie (zum Beispiel Schizophrenie, paranoide Wahnvorstellungen, Amnesie), führt zu offenbar unlogischem Verhalten oder unsinnigen Beweggründen (PAYCHECK) oder ist durch sich selbst beschränkende (self-limiting) Handlungen bedingt (MINORITY REPORT). Da Handlungsmacht und Identität grundlegend an Zeit und Raum gebunden sind und da unser Vertrauen in die Konsistenz und Beständigkeit dieser Dimensionen zentral für unsere Erfahrung des Selbst ist, stellen solche Brüche im Zeit-Raum-Gefüge die Zuschauer vor eine doppelte Herausforderung. Schreibt man die Brüche der objektiven, sichtbaren Welt zu, müssen einem ontologische Zweifel kommen am Verhältnis von möglicher und tatsächlicher Wirklichkeit. Macht man die subjektive Wahrnehmung dafür verantwortlich, kann man seinen eigenen Sinnen nicht mehr trauen. In beiden Fällen würde die Hauptfigur nicht mehr als das Zentrum der Aufmerksamkeitslenkung und Gradmesser der Erfahrungsrealität fungieren.
Ausschlaggebend für die Vorstellung von Motivation und Handlungslogik im klassischen Hollywoodkino ist der Actionheld. Das Publikum liebt an amerikanischen Filmen ihre praktischen Problemlöser, ihre Gangster-Unternehmer-Figuren, ihre Welteroberer, ihre zunächst zaudernden, dann aber unbarmherzigen Rächer, ihre durchtriebenen Detektive, ihre stoischen Gesetzeshüter, ihre die Wildnis zivilisierenden Pioniere oder ihre Teenager, die Eingang in die Erwachsenenwelt finden, indem sie sich clever oder altklug gegen menschliche Widersacher und kosmische Widrigkeiten behaupten. Man hat dem Actionhelden so sehr vertraut, dass die von ihm demonstrierte, einer einzigen Quelle entspringende Handlungsmacht (single source agency) nicht nur eine der Grundlagen für die Definition des klassischen Hollywoodkinos, sondern auch des europäischen Kinos als seines Spiegelbilds geworden ist. Während die Hollywood-Story charakterzentriert ist und einen autonomen, zielorientierten Handelnden zum Protagonisten hat, der von rationalen Entscheidungen angetrieben wird und, einem linearen Zeitrahmen verpflichtet, entsprechend einer Logik von Ursache und Wirkung vorgeht8, zeigt die typisch europäische Erzählung eine unentschlossene, aufgewühlte zentrale Figur, die in einem urbanen Labyrinth umherirrt oder eine trostlose geistige Landschaft durchstreift. Die Handlung hat ein offenes Ende, der Kausalnexus ist schwach, die Plotstruktur episodisch, und die Zeit – selbst wenn sie insgesamt linear verläuft – dehnt sich aus, läuft rückwärts oder steht einfach still.
Im amerikanischen Actionhelden ist, ebenso wie in seinem negativen Gegenstück, eine ganze Ideologie des Handlungs-Pragmatismus verankert. Aber wenn trotz aller philosophischen Annahmen über Ursprung-Weg-Ziel-Schemata die Erfahrungswerte nahe legen, dass der Modus Operandi des Actionhelden gerade in seiner äußerst körperlichen Manifestierung abstrakt, egomanisch und sogar autistisch ist, läuft dann so viel Zutrauen in individuelle Handlungsmacht nicht jeder Intuition zuwider? Gibt es nicht andere, diplomatischere Wege, Probleme zu lösen oder Dinge zu erledigen: Wege, die auf Kooperation und Verhandlung setzen? Ist die europäische Haltung nicht viel realistischer, weil sie einsieht, dass wir als Individuen äußerst selten »kommen, sehen, siegen«? Mogeln wir uns nicht vielmehr durchs Leben, hin- und her gerissen zwischen Unschlüssigkeit, Kurzschlusshandlungen, die wir später bereuen, und dem Wissen, dass das Chaos, das wir manchmal ganz alleine angerichtet haben, unsere größten Anstrengungen zunichte macht, wieder Herr der Lage zu werden? Und so bewundern im »wirklichen Leben« auch nicht alle Kulturen den Actionhelden. Der Romancier und UN-Diplomat Shashi Tharoor hat einmal über seine Landsleute ironisch bemerkt: »Inder mit ihrem schnellen, scharfen Verstand und ihrer geschmeidigen Art, dem Gegenüber zu schmeicheln, sind immer in der Lage, eine globale Krise vom Standpunkt jeder einzelnen Konfliktpartei nachzuvollziehen. Deswegen kommen sie so gut mit jeder Situation zurecht, die nach einem instinktiven Bewusstsein für die Subjektivität von Wahrheit, die Relativität des Urteils und die Unmöglichkeit zu handeln verlangt.«9 Ebenso haben sich die europäische Vorstellungswelt und ihr Kino mit ihren Hamlet-Helden, Zweiflern und Aufschiebern, die Dilemmata erkunden statt Probleme zu lösen10, nicht nur abgefunden, sie sind sogar stolz auf sie. Man denke an die Protagonisten eines Ingmar Bergman, Michelangelo Antonioni oder Wim Wenders: Es sind Zauderer und Grübler, Streuner, fahrende Ritter, Fliegende Holländer und Ewige Juden, Männer Gottes, die ihren Glauben verloren haben oder selbst ein Exil gewählt haben, aus dem sie für den Rest ihres Lebens heimzukehren versuchen. Sie sind von inneren Dämonen ebenso angetrieben wie von hochfliegenden, aber unerreichbaren Idealen. Im letzten Jahrzehnt hat das Weltpublikum auch, was Handlungsmacht betrifft, die auf Determinismus oder sogar Prädestination basierenden asiatischen Filme zu schätzen gelernt, und bewundert sie wegen ihrer Szenarien des Fatalismus, der ritualisierten Kämpfe und der eingefrorenen Bewegungen, die auf Schwertes Schneide balancieren. Der Actionheld hat also Konkurrenz bekommen, und, wie ich meine, auch aus seiner Hollywood-Heimat.
Bevor dies näher betrachtet wird, zunächst einmal die Frage: Was ist damit gewonnen, verschiedene Filmtypen nach ihrem jeweiligen Handlungs-Schema zu klassifizieren, anstatt nach traditionelleren Kategorien wie Autor, Genre, Stil oder Produktionsweise zu fragen? Wie bereits angedeutet, muss auch innerhalb des amerikanischen Kinos selbst differenziert werden, um dem offenkundigen Zweifel an Handlungsmacht und Identität Rechnung zu tragen, der zahlreiche Mainstream-, Independent- und Kultfilme der letzten Jahrzehnte auszeichnet. Wenn die Debatte darüber, ob solche Filme als klassisch oder als postklassisch/postmodern bezeichnet werden sollen, noch immer nicht entschieden ist11, so ist von anderer Seite ein Klassifikationsschema vorgestellt worden, bei dem Handlungsmacht eine Hauptrolle spielt: das von Gilles Deleuze. Mit seiner Bestimmung des sensomotorischen Schemas des Bewegungsbilds, das für ihn auf die körperzentrierte agency von Wahrnehmung, Fühlen, Verstehen und Handeln verweist, unterscheidet Deleuze das klassische (amerikanische) Kino vom modernen (europäischen) Kino, das durch das Zeitbild gekennzeichnet ist. Beim Bewegungsbild liegt die Betonung auf dem breiten sensomotorischen Schema der »Entfaltung« (der Welt als das, worauf eingewirkt werden soll) und der »Angemessenheit« (der zu unternehmenden Schritte in Bezug auf Umwelt, Fähigkeiten, Selbsteinschätzung und Anlass). Durch ihr Blickfeld und das, was sie darin wahrnimmt, verschafft sich eine Figur einen Überblicks- und Ausgangspunkt, dessen Wahrheit sich danach bemisst, wie sehr der in Handlung umgesetzte Blick der wahrgenommenen Situation angemessen ist, und der folglich die Handlungsfähigkeit der Figur indexiert. Indem Deleuze diese sensomotorische Übereinstimmung (alignment) von Körper, Handlungsmacht und Identität mit ihrem Aufbrechen in der »Krise des Bewegungsbilds« kontrastiert, postuliert er das Hervortreten eines neuen Kinotyps, der sich um das Zeitbild organisiert. Insofern im Zeitbild Sehen, Affekt und Handlungsmacht auseinandertreten, verweist es auf die Inkommensurabilität der Situation oder des Ereignisses. Zwar mag dieses Vokabular Henri Bergsons philosophischen Thesen zu Materie, Geist und Gedächtnis geschuldet sein, die Unterscheidung Bewegungsbild/Zeitbild liefert Deleuze aber auch eine historische Erklärung für die Kluft zwischen Hollywood und Europa, die diese zugleich vergrößert. Er beruft sich auf sie, um die Aufmerksamkeit auf einen folgenschweren Bruch zu lenken: den Zweiten Weltkrieg mit dem äußeren und inneren Zusammenbruch Europas und, damit einhergehend, dem Kollaps des Projekts der Aufklärung. Ab 1945 verschiebt Deleuze den Akzent hin zu den europäischen Autorenregisseuren (was praktisch zum Ausschluss des amerikanischen Kinos nach 1960 führt). Unter das Zeitbild fallen die ungewissen Weggabelungen der Erzählungen eines Alain Resnais von L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD (Letztes Jahr in Marienbad; 1961) bis SMOKING / NO SMOKING (1993). Ebenso zählen dazu peripatetische Protagonisten mit gehemmter, mangelnder oder wirkungsloser Handlungsmacht, wie sie von den fahrenden Spielern in Fellinis LA STRADA (Das Lied der Straße; 1954) oder dem verstörten Ehepaar in Rossellinis VIAGGIO IN ITALIA (Reise in Italien; 1954) verkörpert werden, von Antonionis heimatlosen Helden aus IL GRIDO (Der Schrei; 1957) oder LA NOTTE (Die Nacht; 1961) sowie, in der Folge, von den filmischen Protagonisten von Theo Angelopoulos, Andrei Tarkowskij und Wim Wenders.
[Bild 7: Kinder als Protagonisten: E.T.: THE EXTRA-TERRESTRIAL]
Dabei hätte Deleuze allerdings darauf hinweisen können, dass in den späten 1960ern und frühen 1970ern auch in Hollywood die »unmotivierten« (europäischen) Protagonisten mit ihren anderen Handlungsszenarien in den Vordergrund treten: Die schon genannten Filme wie EASY RIDER und FIVE EASY PIECES (wobei easy ungezwungen und lose bedeutet und damit auch für die reflexive Doppelung von Handlungsmacht und stark gelockerter Linearität der Handlung stehen kann) oder die Road Movies wie TWO-LANE BLACKTOP, CALIFORNIA SPLIT (1974; R: Robert Altman), DRIVE HE SAID (1971; R: Jack Nicholson), deren Titel bereits Beweggründe oder Triebkräfte (drives) hervorheben, ironisch spalten oder verdoppeln, ganz zu schweigen von den Endstadien, die mit Filmtiteln wie THE LAST DETAIL oder THE LAST MOVIE12 bezeichnet werden. Deleuze’ Berufung auf den Holocaust (als eine der Ursachen des Zeitbilds im modernen Kino) findet ihr Spiegelbild (wenngleich nicht ihre Parallele) in den soziopolitischen Erklärungen, mit denen man das Auftauchen von Erzählungen mit offenem Ausgang und unmotiviert handelnden Protagonisten im amerikanischen Kino an die Niederlage im Vietnamkrieg, an das Trauma und die Paranoia von Watergate und an die Verdrossenheit und Enttäuschung der Protestgeneration der 1960er über den unverwüstlichen Pragmatismus des American Way of Life zu koppeln versuchte13.
Eine weitere Bestätigung der Krise der Handlungsmacht ist das Wiederaufleben von Mainstreamfilmen mit Kindern als Protagonisten seit den 1980er Jahren. Die Popularität von STAR WARS, E.T.: THE EXTRA-TERRESTRIAL (E.T. – Der Außerirdische; 1982; R: Steven Spielberg), CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND (Unheimliche Begegnung der dritten Art; 1977; R: Steven Spielberg), GREMLINS (1984; R: Joe Dante), HOME ALONE (Kevin – Allein zu Haus; 1990; R: Chris Columbus), LAST ACTION HERO (1993; R: John McTiernan) und BACK TO THE FUTURE zeigt, dass mehr auf dem Spiel stand als die verspätete Pubertät der Regisseure, nostalgische Kindheitsidylle oder die demografische Entwicklung des immer jünger werdenden Publikums. Im Kapitel zum »Blockbuster als Zeitcontainer« wird noch auf das Zeitverständnis solcher Erlebnisfilme einzugehen sein. Hier gilt es zunächst festzuhalten, dass viele der Geschichten, die im Kino der 1980er und 1990er Jahre dominieren sollten, im Genre des Märchen- und Abenteuerfilms (selbst außerhalb des Disney-Universums und Spielbergs Dreamworks) von kleinen Jungs handeln. Sie zeigen dabei die im Kinderbuch übliche Neigung, die Helden mit einem tieferen Wissen auszustatten als die Erwachsenen. Eigen aber ist den Hollywoodfilmen vom Typ STAR WARS, HARRY POTTER oder THE LORD OF THE RINGS, dass den jugendlichen Helden kosmische Missionen anvertraut werden. Und sie kommunizieren mit übermenschlichen Kräften, als würden sie auf seltsame Art darauf vorbereitet, eine Welt nicht mehr zu erobern, sondern zu erben, wenngleich sie nur als Reiche der Fantasie und (in sich) geschlossene Universen erscheinen. Ihre Handlungsmacht verbindet europäisches Zögern mit asiatischer Vorbestimmung, inszeniert dabei aber eine Zeitachse der vorausahnenden Nachträglichkeit und spricht so die Verführungen und Ängste an, eine Macht zu verkörpern, die die zukünftige »Rettung der Welt« als ihr Schicksal erfährt.
Man könnte also auch im amerikanischen Kino seit den 1980er Jahren eine Prävalenz des Zeitbilds konstatieren, nämlich der verteilten, negativ gepolten oder blockierten Handlungsmacht, was das oft Pathologische, Hysterische oder auch nur Rätselhafte an den Beweggründen so vieler Hollywoodhelden von heute erklären könnte. Die folgenden Kapitel gehen diesen Spielarten der Handlungsmacht im Einzelnen noch einmal nach, angefangen vom anscheinend klassischen Actionhelden, wie ihn Bruce Willis in DIE HARD verkörpert, über den archetypischen Detektiv, den Private-I von CHINATOWN, gespielt von Jack Nicholson, bis zu der nicht ganz so typischen weiblichen Detektivin Clarice Starling (Jodie Foster) in THE SILENCE OF THE LAMBS. Alle drei tragen eine besondere Bürde, was ihre Vergangenheit angeht, und können ohne metaphorische Übertreibung als »traumatisiert« bezeichnet werden. Auch der Held in Francis Ford Coppolas DRACULA (Gary Oldman) beginnt als siegreicher Feldherr und klassischer Actionheld, ehe ein tragischer Irrtum und ein Verlust ihn zu einem Untoten machen, dessen posthume Handlungsmacht und »post-mortem«-Identität von der (tatsächlichen, eingebildeten?) Reinkarnation der geliebten Frau abhängt, womit beide ein Dasein, suspendiert zwischen zwei Toden, (er)leben. In einer so harmlosen Komödie wie BACK TO THE FUTURE geht es um einen jugendlichen Helden (Michael J. Fox), dessen Initiation unerwartet traumatische Züge trägt, die erst durch komplizierte Zeitreisen wieder neutralisiert werden können. Dass Underdog und Außenseiter Tom Hanks in FORREST GUMP zum Helden der amerikanischen Geschichte von der Bürgerrechtsbewegung bis zu Watergate wird, haben dem Regisseur Robert Zemeckis viele Kritiker übel angekreidet. Auch hier wird zu zeigen sein, dass über Begriffe wie Handlungsmacht und Trauma auch eine andere Lesart möglich und plausibel ist. Die buddies Vince und Jules in PULP FICTION (John Travolta, Samuel L. Jackson) und die Versicherungsangestellten in MEMENTO und FIGHT CLUB (Guy Pearce, Edward Norton) stellen einerseits bekannte stereotype Helden aus Großstadt-Gangster- und Detektivgenres vor. Andererseits sind die Geschichten, in denen sie auftreten, alles andere als typisch, und auch hier stehen Manipulation der Zeitachse, Umkehrung des Kausalnexus, extreme Körperbezogenheit, Zufall und Kontingenz so im Vordergrund, dass sich daraus ganz andere Identitätsbildungen – und damit Identifikationsangebote an die Zuschauer – ablesen lassen.
Demnach ließe sich Deleuze’ Zeitbild also auf das heutige Hollywoodkino ausweiten. Dem widersprechen zwar einige Merkmale der Filme, die hier besprochen werden, in anderer Hinsicht allerdings könnten sie seine Analyse komplementieren. Vor allem die Idee der »Krise des Aktionsbildes« ließe sich im Kontext von New Hollywood mit den vielbeschworenen und ausgiebig diskutierten »Krisen der Männlichkeit« in der amerikanischen Gesellschaft seit den 1980er Jahren in Verbindung bringen, oft »posttraumatisch« an die Folgen von Vietnam gebunden. Wenn man weiterhin dem Gedanken folgt, dass das US-Kino seit New Hollywood unterschiedliche Formen nicht-normativer Maskulinität darstellt, dann gelangt man zu einer breit gefächerten Typologie des New Man, von den schwulen Helden in MIDNIGHT COWBOY (Asphalt-Cowboy; 1969; R: John Schlesinger) bis BROKEBACK MOUNTAIN (2005; R: Ang Lee), von Männern in Frauenkleidern in TOOTSIE (1982; R: Sydney Pollack) bis MRS. DOUBTFIRE (1993; R: Chris Columbus), von homoerotischen buddy movies (BUTCH CASSIDY AND THE SUNDANCE KID [Butch Cassidy und Sundance Kid; 1969; R: George Roy Hill], THE STING [Der Clou; 1973; R: George Roy Hill]) bis zu ihrer Kehrseite, den eher homophoben male rampage films, also den »männlichen Randalefilmen« (zum Beispiel dem LETHAL WEAPON-Zyklus [1987-98; R: Richard Donner] mit Mel Gibson und Danny Glover). Allerdings bliebe man dabei an einem Abbildrealismus hängen, der keine Symptomatologie beinhaltet: Diese würde verlangen, dass die Formen der Narration, der Zeitlichkeit und Kausalität die dem »Zeitbild« entsprechende Körpertopografie von Wahrnehmung, Affekt und Handlungsmacht als »Symptom« nicht nur an den Figuren festmachen, sondern sie auch auf den Zuschauer zu übertragen wissen. Dies unterscheidet PULP FICTION von den eben genannten buddy movies oder male rampage films, ebenso wie es die Filme Zemeckis’ (BACK TO THE FUTURE, FORREST GUMP) wesentlich enigmatischer macht, als ihre Kritiker ihnen zustehen. Andererseits ist zu bedenken, dass im Hollywoodkino die Genres sich oft teils voneinander abgrenzen, teils gegenseitig ergänzen, und dies oft über den männlichen Helden, den Star. Zur Erinnerung: Die Helden der Musicals wie Gene Kelly oder Fred Astaire gehörten nicht in den Western, ebenso wenig wie Humphrey Bogart. John Wayne war kein singender Cowboy, und Henry Fonda passte nicht in ein Musical. Aber James Stewart stand im Western genauso »seinen Mann« wie im Thriller bei Alfred Hitchcock oder in der Komödie bei Frank Capra. James Cagney kam aus der Welt des Musicals und wurde vielleicht gerade deshalb zu einem der gefährlichsten – weil mit seiner noch dem Tanz verwandten Körpersprache jeder Pathologie fähigen – Gangster Hollywoods. Im heutigen Hollywood sind es weniger die Stars und Genres, die sich komplementieren, sondern vielmehr die jeweiligen Strategien der Verunsicherung – den Zuschauer in seiner Wahrnehmung, den Protagonisten in seiner Motivation und Handlungsfähigkeit. Insofern können die Superhelden und die Zauderer, die Hyperaktiven und Hysteriker sich mit den Phlegmatikern und Autisten wechselseitig ergänzen. Dies hat seine Entsprechung auf der Produktionsebene: Heute gehen in Hollywood – was den globalen »Markt« betrifft – Mainstream und Independents arbeitsteilig vor, wie man an den Strategien der Weinstein-Brüder, ihrer Firma Miramax, und dem Kommunizierende-Röhren- Verhältnis Hollywoods zum Beispiel zum Sundance Film Festival ablesen kann.
[Bild 8&9: Gegenbilder zu den Antihelden des New Hollywood: Sylvester Stallone in RAMBO: FIRST BLOOD PART II (1985; R: George P. Cosmatos) und Arnold Schwarzenegger in COMMANDO (1985; R: Mark L. Lester)]
So bedürfte auch die landläufige Auffassung einer differenzierteren Betrachtung, die »unmotivierten« Antihelden des New Hollywood der 1970er Jahre stünden im krassen Gegensatz zu den reaktionären Actionhelden vom Schlag Sylvester Stallones oder Arnold Schwarzeneggers in den 1980er Jahren. Auch diese sind, auf der Handlungsebene zumindest, traumatisierte Helden, eingebunden in eine Vergangenheit, die sie heimsucht, und in eine Zukunft, die es zu retten gilt, indem man das schon Geschehene rückgängig machen will. Im Einzelfall wäre zu prüfen, wie »symptomatisch« die jeweiligen Filme mit dieser Konstellation umgehen, was man sowohl James Camerons TERMINATOR-Filmen (1984/1991) als auch dem von Paul Verhoeven gedrehten Schwarzenegger-Film TOTAL RECALL nicht per se absprechen möchte. Wenn man aber die genannten Filme in den hier vorgeschlagenen historischen Rahmen des New Hollywood / New Economy Hollywood platziert, ergibt sich noch eine andere Perspektivierung, die masculinity nicht auf gängige Sex-Stereotypie oder emanzipatorische Gender-Politik festlegt. Horizont einer solchen Kontextualisierung wären dann veränderte kulturelle Anforderungen an den männlichen Körper in einer postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft. Dies wird im Kapitel zu DIE HARD ausführlicher besprochen und unterlegt auch die Funktionsanalyse des männlichen Körpers in MEMENTO. Deleuze’ absichtlich nicht geschlechtsspezifische Taxonomie der verschiedenen Arten des Aktions-, Wahrnehmungs- und Affektbildes erlaubt es – so etwa im Kapitel zu THE SILENCE OF THE LAMBS –, die Diskussionen um sexuelle Identität und Präferenz auf einen anderen Körperdiskurs und somit auch auf andere Reflexionshorizonte, zum Beispiel den der Foucault’schen »Kontrollgesellschaften« und Technologien des Selbst, zu beziehen. Das Zerreißen des sensomotorischen Bandes, das Deleuze in der Organisation des Zeitbildes hervorhebt, und das Aufbrechen und Neu-Verhandeln der klassenspezifischen Hierarchien in den postfordistischen Arbeits- und Lebensprozessen stünden unter ähnlichen Vorzeichen, womit sich eine andere Spur zur »Identität« des Hollywood der 1970er Jahre ergäbe. Der Wechsel und die Koexistenz von Aktions-, Wahrnehmungs- und Affektbild würden gestatten – auf eine Art, die nicht binär ist, aber dennoch Elemente antagonistischer Auseinandersetzung enthielte –, die Phasen des klassischen, des New und des New Economy Hollywood nachzuvollziehen, wobei die Filme der 1970er Jahre vielleicht ganz besonders empfänglich für die Disartikulation der Aktion, die Desorientierung der Wahrnehmung und die Modulationen des Affekts wären, während die Filme seit den 1980er Jahren ebenfalls Disartikulationen im sensomotorischen Gefüge der Protagonisten aufzeigen, diese aber nicht (nur) über das gesellschaftliche oder individuelle Trauma motivieren.
Die These, auf die daher die hier versammelten Aufsätze zusteuern und die im Schlusskapitel zum mindgame movie noch einmal thematisiert wird, lautet: Einige der Symptome, die wir normalerweise mit Trauma verbinden (Zeiterfahrung des Plötzlichen und Kontingenten, Störung der Erinnerung, am Körper nicht sichtbare Verletzungen), beziehen sich auf der Handlungs- oder Story-Ebene zwar manchmal auf ein zurückliegendes Ereignis, in ihrer Virulenz und vektorialen Richtung aber auf Zustände und Situationen der Gegenwart. Was die Protagonisten dem Zuschauer vorführen, sind Formen und Phasen einer Art Deterritorialisierung des (männlichen) Körpers im Sinne der Aufhebung oder Demontage seiner traditionellen Sozialisierung für zielstrebig-lineares Handeln. Anstatt aber nun ein Körper der »schnellen Reaktion« (rapid reaction) zu werden, voller Paranoia und Wahnvorstellungen, entsteht der Held der »kontingenten Reaktion« (random reaction), voller hysterischer und Schizo-Energien, die sofort abrufbar, einfach gegen ihn selbst und noch einfacher gegen andere einsatzfähig und mobilisierbar sind. Kubrick hat diese neue Art der instabilen, aber effektiven psychotischen Mobilität in FULL METAL JACKET (1987) nachgezeichnet, allerdings getarnt, indem er sie auf das Vietnam-Genre beschränkt hat, doch es ließen sich die hier analysierten Beispiele der Helden von MEMENTO und FORREST GUMP nennen, bei denen Hyperaktivität und Katatonie wiederum zwei Seiten einer Medaille sind, die den Mann nicht nur für die neuen Kriege, sondern für alle anderen Arten des Multitasking vorbereiten.
Wenn sich das klassische Kino mit Leben und Tod beschäftigt hat, so gilt für Hollywood (wie die mindgame movies zeigen: für das Welt-Kino) heute, dass immer wieder Nachleben, Überleben und paralleles Leben zum Thema werden. Es geht um ein Leben, das weder historisch verankert noch ontologisch begründet werden kann, das weder in der Natur noch in der Fantasie, weder in der biologischen Gemeinschaft der Familie noch in der virtuellen Gemeinschaft der Kommunikationstechnologien zu Hause ist. Das trifft sich mit den Diskursen über künstliche Intelligenz und der posthumanen Kondition, zeigt aber auch, dass die permanente Beschäftigung des Kinos mit Erinnerung, Gedächtnis, Trauma nur bedingt als Beitrag zu den politischen Debatten über Vergangenheitsbewältigung und Vergangenheitsbewahrung gezählt werden sollte. Bekanntlich ist Trauma in der Populärkultur zu einer Währung geworden, die es manchem über den klinischen Bereich (posttraumatischen Stress), den historischen Bezug (Holocaust, Vietnam) und den autobiografischen Tatbestand (Vergewaltigung, Inzest) hinaus erlaubt, den affektiven Wert als »Opfer« einzulösen. Fast scheint es, als stifte erst ein persönliches Trauma Identität und werde damit zu einer Seinsweise an sich. Unserer Herkunft nicht sicher, die Zukunft als Wiederkehr des Immergleichen erfahrend, können wir durch Traumata und deren Bezug zur Zeit und zum Körper zumindest einen Sinn finden, der dem Leben noch einmal eine Lebensgeschichte gibt. Es sind diese Lebensgeschichten, im Idiom der alten Genres und im Symptom mobil-instabiler Handlungsmacht, die Hollywood heute immer wieder erzählen will. Und manchmal gelingt es.
Notes
David Thomson: Who Killed the Movies? In: Esquire, 12/1996, S. 56-63; William Goldman: The Big Picture: Who Killed Hollywood? New York: Applause 2000; Peter Bart: Who Killed Hollywood ... and Put the Tarnish on Tinseltown? Los Angeles: Renaissance Books 1999.
Der Begriff »Rasse« wird in diesem Buch in Anlehnung an den angloamerikanischen Sprachgebrauch verwendet. Race im Sinne der Cultural Studies ist ein kulturelles Konstrukt, das keine biologische Grundlage hat, aber als diskursive Kategorie reale Auswirkungen auf die gesellschaftliche Realität.
TWO-LANE BLACKTOP (Asphaltrennen; 1971; R: Monte Hellman); FIVE EASY PIECES (Ein Mann sucht sich selbst; 1970; R: Bob Rafelson); THE LAST DETAIL (Das letzte Kommando; 1973; R: Hal Ashby); DAVID HOLZMAN’S DIARY (1967; R: Jim McBride); THE LAST PICTURE SHOW (Die letzte Vorstellung; 1971; R: Peter Bogdanovich); PUZZLE OF A DOWNFALL CHILD (1970; R: Jerry Schatzberg); BADLANDS (1973; R: Terrence Malick); FINGERS (Finger – zärtlich und brutal; 1978; R: James Toback); POINT BLANK (1967; R: John Boorman), DELIVERANCE (Beim Sterben ist jeder der Erste; 1972; R: John Boorman); THE LAST MOVIE (1971; R: Dennis Hopper).
Thomas Schatz: The New Hollywood. In: Jim Collins / Hilary Radner / Ava Preacher Collins (Hg.): Film Theory Goes to the Movies. New York, London: Routledge 1993, S. 10.
André Bazin: What is Cinema? Berkeley: University of California Press 1969.
Vgl. die Einführung von Steve Neale und Murray Smith zu ihrem Buch: Contemporary Hollywood Cinema. London: Routledge 1998, S. xiv-xxii; und das Kapitel zu DIE HARD in diesem Band.
THE BUTTERFLY EFFECT (2004; R: Eric Bress / J. Mackye Gruber); THE TRUMAN SHOW (Die Truman- Show; 1998; R: Peter Weir); TOTAL RECALL (1990; R: Paul Verhoeven); THE GAME (1997; R: David Fincher); CONTACT (1997; R: Robert Zemeckis); TWELVE MONKEYS (1995; R: Terry Gilliam); THE SIXTH SENSE (1999; R: M. Night Shyamalan); VANILLA SKY (2001; R: Cameron Crowe); FIGHT CLUB (1999; R: David Fincher); THE MATRIX (1999; R: Andy Wachowski / Larry Wachowski); LOST HIGHWAY (1997; R: David Lynch); BEING JOHN MALKOVICH (1999; R: Spike Jonze); THE JACKET (2005; R: John Maybury); PRIMER (2004; R: Shane Carruth); PAYCHECK (2003; R: John Woo); ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND (Vergiss mein nicht!; 2004; R: Michel Gondry).
Ich paraphrasiere hier einige der von David Bordwell in seinem Buch Narration in the Fiction Film entwickelten Merkmale (features), wie sie sich auch im gemeinsam mit Janet Staiger und Kristin Thompson verfassten Buch The Classical Hollywood Cinema finden. Vgl. David Bordwell: Narration in the Fiction Film. London: Routledge 1985; D.B. / Janet Staiger / Kristin Thompson: The Classical Hollywood Cinema. Film Style & Mode of Production to 1960. London: Routledge 1985.
Shashi Tharoor: The Great Indian Novel. New York: Viking 1989.
Mit dieser Unterscheidung folge ich dem Filmemacher Paul Schrader.
Vgl. Smith/Neale 1998, a.a.O., und: David Bordwell: As Hollywood Tells It. Cambridge: Harvard University Press 2006; sowie auf Deutsch: Robert Blanchet: Blockbuster. Marburg: Schüren 2003.
Für eine ausführliche Diskussion/Erörterung vgl. Thomas Elsaesser / Alexander Horwath / Noel King (Hg.): The Last Great American Picture Show. Amsterdam: Amsterdam University Press 2004.
Christian Keahtley: Trapped in the Affection-Image: Hollywood’s Post-Traumatic Cycle. In: Elsaesser/ Horwath/King 2004, a.a.O., S. 293-308.